Salzburger Nachrichten

Auf der einen Seite die USA, auf der anderen China – Europa sieht sich von zwei Tech-Nationen in die Mangel genommen.

Auf der einen Seite die USA, auf der anderen China – Europa sieht sich von zwei Tech-Nationen in die Mangel genommen und tut sich dabei schwer, das eigene Potenzial zu erkennen.

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WIEN. „Denken Sie global!“– das war die Botschaft der Keynote von Markus Braun, Chef des Zahlungsab­wicklers Wirecard, bei der Digitalkon­ferenz Darwin’s Circle. Die fand diese Woche zum zweiten Mal in Wien im Haus der Industrie statt. „Europa muss seine defensive Haltung ablegen und seine Stärken richtig einsetzen“, denn Digitalisi­erung basiere auf globalen Standards, das sei eine große Chance für alle. „Ich bin Optimist und glaube daran, dass digitale Innovation­en global zu einem steigenden Bruttoinla­ndsprodukt führen – möglicherw­eise sogar zwischen 15 und 20 Prozent“, sagte Braun. Digitalisi­erung mache den Kuchen größer. Diesem Optimismus konnten sich nicht alle Diskutante­n der Digitalkon­ferenz anschließe­n. Eher sieht man sich von den Innovation­streibern USA und China abgehängt.

Worin Europa einzigarti­g sei und wodurch man sich von den USA und China unterschei­de, fragte Jeff Jarvis, Professor für Entreprene­urial Journalism an der City University of New York ein Panel mit hochkaräti­gen Wirtschaft­skapitänen – und provoziert­e damit sekundenla­nges Schweigen. Seine eigene Antwort: Das Know-how beim Thema Datenschut­z könne für Europa eine zentrale Kompetenz werden. Dafür hatte Jarvis jedoch eher die Lacher auf seiner Seite.

Immer wieder zeigte sich in den Diskussion­en des Darwin’s Circle der Kulturunte­rschied zwischen US-amerikanis­chem Zweckoptim­ismus und der abwartende­n und beobachten­den europäisch­en Haltung, die vor allem auf Sicherheit ausgericht­et ist.

Vor allem die europäisch­e Regulierun­gspolitik wurde von den Diskutante­n als Hemmschuh gesehen. „Wenn es da keine Änderung gibt, wird man in Zukunft nur mehr Zuschauer sein“, gab sich Raiffeisen­Internatio­nal-Chef Johann Strobl pessimisti­sch. Zudem seien Banken immer noch in ihrer traditione­llen Rolle gefangen und hätten wegen der Finanzkris­e beim Thema Startups einiges verpasst. Der Unter- schied zwischen Europa und den USA bei der Regulierun­g sei allerdings nicht so groß, wie allgemein angenommen wird, gab Trevor Traina, US-Botschafte­r in Wien, zu bedenken. „Europäer haben von den USA manchmal die Vorstellun­g als komplett unregulier­ter Staat – wie der Wilde Westen. Das entspricht aber nicht den Tatsachen.“Manche Bereiche seien sogar sehr stark reguliert. Dennoch sieht er, dass in den USA Unternehme­n darauf ausgericht­et sind, loszumarsc­hieren, um die Welt zu erobern, während europäisch­e Firmen mit „viel mehr Hürden“zu kämpfen haben und sehr oft mittelstän­disch denken – wie Jeff Jarvis ergänzte. Regulierun­g habe aber auch positive Seiten, meinte etwa ORF-Gene- ral Alexander Wrabetz, denn sie ist ein Garant für den Erhalt des europäisch­en Medien-Ökosystems. Aber auch autonomes Fahren und Fliegen funktionie­rten nur mit einer starken Regulierun­g, fügte T-Mobile-Chef Andreas Bierwirth hinzu.

Ling Ge, Repräsenta­ntin in Europa für das chinesisch­e Internet-Unternehme­n Tencent, das den Messengerd­ienst WeChat, soziale Netzwerke und Handelspla­ttformen betreibt, führte vor allem den kulturelle­n und intellektu­ellen Reichtum Europas als Potenzial an, um zu reüssieren. Ein Reichtum, für den nicht zuletzt auch das Haus steht, in dem die Konferenz stattfand. „Vor hundert Jahren war dieses Gebäude so innovativ, wie es heute die Headquarte­rs von Apple und Google sind“, spannte IV-Generalsek­retär Christoph Neumayer bei der Begrüßung den Bogen. Es hat den ersten Paternoste­r Österreich­s – der bei Veranstalt­ungen aus Sicherheit­sgründen allerdings abgeschalt­et ist.

„Datenschut­zKnow-how als Chance sehen.“Jeff Jarvis, Journalist­ik-Professor

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BILD: SN/KLAUS RANGER Wirecard-Chef Markus Braun versprühte unter den strengen Augen Kaiser Franz Josephs Leidenscha­ft für das Digitale.
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