Nächstenliebe beginnt mit einem Song auf der Gitarre
Heute vor einem Jahr starb US-Musiker Tom Petty – und schon liegt eine umfassende Werkschau vor.
„Die guten alten Tage werden nicht zurückkehren.“So singt Tom Petty in seinem Song „Learning to Fly“. Und so begann vor knapp einem Jahr in dieser Zeitung auch der Nachruf auf den USRockmusiker. Petty war völlig überraschend im Alter von 66 Jahren nach einem Herzinfarkt gestorben. Petty wird nicht zurückkehren.
Doch die guten alten Tage, von denen seine Musik ganz lässig, aber mit Tiefgang, manchmal träumend und oft mit dem Blick auf die harte Wirklichkeit des amerikanischen Traums erzählt, die werden verlängert. Man braucht dazu aber nicht nur das Bekannte nachhören. Es gibt Neues.
Eine Sammlung von 60 PettyTracks, chronologisch nach Aufnahmedatum beginnend 1976 geordnet, ist vor wenigen Tagen erschienen. In der Sammlung finden sich einige Hits, vor allem aber unveröffentlichte Aufnahmen, alternative Versionen von Klassikern, Raritäten und Live-Performances. Deutlich wird die große Spannweite Pettys in seinem raffinierten Songwriting und auch seine Entwicklung zu einem hervorragenden Interpreten und Performer.
„An American Treasure“heißt die Sammlung – und dass es sich bei Pettys Arbeit seit den 1970er-Jahren tatsächlich um eine Art „amerikanischen Schatz“handelt, wird auf vielfache Weise deutlich.
Wenn er in einem Song wie „Even the Losers“, über ein paar namenlose, ganz gewöhnliche Menschen singt, schwingt immer auch der Blick auf eine ganze Generation mit, auf das Land und dessen gesellschaftspolitische Haltung. Petty macht Rockmusik und erzählt fast nebenbei von den Befindlichkeiten seiner Heimat. Er tut es niemals explizit politisch. Er fängt den Alltag ein, den „Lousiana Rain“oder das Leben auf einer „Kings Road“. Und dazwischen geht es um die großen Themen des Rock ’n’ Roll, das Alleinsein, die Sehnsucht nach etwas anderem am Ende der Straße, die Suche nach einem anderen Leben, für das nur „the sky the limit“ist, von dem aber gar nicht klar ist, wie es aussieht und wo genau es zu finden wäre. In diesem Sinn ist Petty einer der großen Poeten der Träumerei. Beschworen wird aber auch in diesen 60 Songs keine heile Welt, sondern das Leben zwischen den „Rebels“, jenen, die „Fooled again“sind, oder anderen, deren Liebe strahlt „Like a Diamond“. Oder eben jene, die zeitlebens zu den Losern gehören, denen aber dann für einen Moment doch auch das Glück unterkommen kann. Eine Stärke Pettys wird hier komprimiert deutlich: Er flüchtet in seiner Kunst nie in kaputten Zynismus oder überschwängliche Euphorie. Er findet stets einen Weg, die Helden seiner Lieder liebevoll zu behandeln, ihnen ewig gültige Melodien zu schenken.
Zusammengestellt wurde die Sammlung, die auch in opulenter Deluxe-Version erscheint, von Pettys Tochter Adria und seiner Witwe Dana. Bezogen auf die Lieder lassen die beiden wissen: „Sie alle ließen uns aufhorchen und werden uns für viele weitere Jahre immer neue Facetten seines Talents offenbaren.“Heißt: In Pettys Schatztruhe gibt es noch mehr davon.
„Baby, auch die Verlierer haben manchmal Glück.“