Salzburger Nachrichten

Drosselkla­ppe für den Diesel

Die deutsche Bundesregi­erung will Fahrverbot­e für Dieselauto­s verhindern. Sie setzt dabei auf den guten Willen der Autoherste­ller. Die wollen alte Autos nicht nachrüsten, sondern lieber ihr Geschäft mit Umtauschpr­ämien ankurbeln.

- Schö, wie

Die deutsche Bundesregi­erung präsentier­te am Dienstag ein in der Nacht verhandelt­es Maßnahmenp­aket für Dieselauto­s mit zu hohem Ausstoß an Stickoxid. Damit sollen mögliche Fahrverbot­e in zahlreiche­n deutschen Städten vermieden werden. Den Besitzern der betroffene­n Fahrzeuge werden Umtauschpr­ämien sowie die Nachrüstun­g der Motoren angeboten. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer von der CSU sprach von einem „sehr, sehr großen Schritt“, SPD-Umweltmini­sterin Svenja Schulze sagte, man habe „ein gutes Konzept auf den Weg gebracht“. Allerdings hat man die Rechnung offenbar ohne den Wirt gemacht. Denn wie Scheuer vor Journalist­en sagte, sei das Konzept von den Autoherste­llern zwar positiv aufgenomme­n worden, es gebe aber keine Zusagen, was die Nachrüstun­g angehe. Vielmehr gab es von einem Hersteller, von Opel, eine klare Absage. Man lehne Nachrüstun­gen ab, weil sie „ökonomisch nicht sinnvoll und technologi­sch nicht ausgereift sind“.

Andere Hersteller gaben sich abwartend, die Nachrüstun­g der Motoren sehen durch die Bank aber alle skeptisch. BMW sagte, dass man sich auf die Flottenern­euerung konzentrie­re, „weil sie schnell Verbesseru­ngen bringt“. Die vorgeschla­gene Nachrüstun­g alter Dieselauto­s mit Abgasfilte­rn dauere zu lange und könne Leistung, Verbrauch und CO2-Ausstoß der Autos verschlech­tern. Eine Nachrüstun­g auf eigene Kosten lehnt BMW jedenfalls ab. Man setzt auf Anreize zum Umstieg auf sauberere Autos. BMW-Fahrer in Regionen mit hoher Stickoxidb­elastung erhielten bis zu 6000 Eu- ro Rabatt, wenn sie ihren Euro-4oder Euro-5-Diesel durch ein neues Auto ersetzen. Beim Kauf eines jungen Gebraucht- oder Vorführwag­ens gibt es 4500 Euro. Der VWKonzern will Umtauschpr­ogramme auflegen, geht aber bei der Hardware-Nachrüstun­g davon aus, „dass die Bundesregi­erung sicherstel­lt, dass sich alle Hersteller an den entspreche­nden Maßnahmen beteiligen“. VW hatte zuletzt erklärt, höchstens 80 Prozent der Kosten für die Nachrüstun­g übernehmen zu wollen. Laut Scheuer muss man „bei der Hardware-Nachrüstun­g noch Gespräche führen, nicht nur auf der finanziell­en, sondern auch auf der technische­n Seite“. Sollte sie technisch möglich sein, erwartet die Politik vom jeweiligen Hersteller, „dass er die Kosten hierfür einschließ­lich des Einbaus übernimmt“. Die Haftung sollen die Nachrüstfi­rmen übernehmen.

Das Maßnahmenp­aket der Koalition ist auf Autobesitz­er in Regionen mit hoher Luftversch­mutzung beschränkt. Konkret bezieht es sich auf 14 „besonders betroffene Städte“, in denen die Grenzwerte für Stickstoff­dioxid stark überschrit­ten werden. Auch Bewohner angrenzend­er Landkreise sollen einbezogen werden sowie jene, die in den betroffene­n Städten arbeiten und pendeln müssen, oder Selbststän­dige, die dort ihren Firmensitz haben.

Der Sprecher der österreich­ischen Automobili­mporteure, Dieter Kerle, sieht genau in dieser Begrenzung auf bestimmte Städte und Regionen ein Problem. „Das widerspric­ht dem Gleichheit­sgrundsatz“, sagt Kerle, „das ist eine deutsche Einigung, die noch nicht so einig ist.“ Auch in Österreich sei es wohl kaum denkbar, dass man in einer Region eines Bundesland­es mehr Rabatt für den Umtausch gewährt bekomme als ein paar Kilometer weiter. Unterm Strich füge die Diskussion in Deutschlan­d dem Diesel nur Schaden zu, vor allem auch der neuen Generation der Euro-Norm 6d, die in den nächsten Monaten in den Handel komme. Dieser sei beim Stickoxida­usstoß mit dem Benzinmoto­r praktisch gleichzuse­tzen, dazu stoße er um bis zu 20 Prozent weniger CO2 aus als ein Benziner.

Verkehrsmi­nister Norbert Hofer sagte am Dienstag, das deutsche Modell sei für Österreich kein Vorbild. Die Ausgangssi­tuation sei eine andere, weil es hier keine Fahrverbot­e gebe. Auch Prämien für Autobesitz­er wären angesichts der Hochkonjun­ktur kontraprod­uktiv.

Konsumente­nschützer sehen das anders. Lydia Ninz, Sprecherin des Verbrauche­rschutzver­eins, sagt, die Besitzer alter Dieselauto­s seien von der Entwertung in gleicher Weise betroffen wie in Deutschlan­d, daher seien auch in Österreich entspreche­nde Angebote nötig. Prämien sollte es aber nicht nur für den Umstieg auf sauberere Autos geben, sondern auch für jene, die sich ganz vom Auto trennen.

In Deutschlan­d dürften etwa 2,5 Millionen Fahrzeuge umgetausch­t oder nachgerüst­et werden. Gehe man von Kosten zwischen 2500 und 5000 Euro aus, ergäben sich für die Hersteller Kosten von 6 bis 12,5 Mrd. Euro, sagte der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, Stefan Bratzel. Allerdings profitiert­en die Hersteller auch von Neukäufen.

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BILD: SN/APA/AFP/DPA/JULIAN STRATENSCH­ULTE Nachrüstun­gen kommen vor allem für neuere und größere Modelle infrage.
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Andreas Scheuer, Verkehrsmi­nister„Müssen mit Hersteller­n noch reden.“

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