Salzburger Nachrichten

Stau am Boden und in der Luft

Das sommerlich­e Chaos in Europas Luftfahrt hinterläss­t Spuren. Gleich zwei Luftfahrtg­ipfel in Wien und Hamburg suchen nach Auswegen. Dabei gehen die Wogen hoch – nicht nur in der Frage, wie grün Luftfahrt überhaupt sein kann.

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WIEN. Günstige Ticketprei­se dank neuer Billigflug­gesellscha­ften und mehr direkte Flugverbin­dungen – diese Entwicklun­g an vielen Flughäfen, auch in Wien-Schwechat, freut viele Passagiere. Längst ist Fliegen kein Luxus mehr, zudem kommen Vertreter der BabyboomJa­hrgänge in das Alter, wo sie genügend Muße, Geld und Reiselust aufbringen, um mehr zu reisen als jede andere Generation vor ihnen.

Zugleich aber treten die negativen Folgen des verstärkte­n Flugaufkom­mens zutage. Im Sommer gab es am Himmel über Europa so viele Verspätung­en und Flugausfäl­le wie noch nie. Europas Luftfahrt stößt an die Grenzen ihrer Kapazität. Im Juni gab es einen Rekord von 36.825 Flugbewegu­ngen an einem Tag – und die Zahl steigt weiter.

Die Schaffung höherer Kapazitäte­n etwa durch Einsatz digitaler Technologi­e ist eine der Herausford­erungen für die Luftfahrt, mit denen sich noch heute der zweitägige „European Aviation Summit“in Wien befasst. Mehr als 200 Gäste aus dem In- und Ausland nehmen an der Tagung teil, darunter EUVerkehrs­kommissari­n Violeta Bulc, mehrere EU-Minister und -Parlamenta­rier sowie hochrangig­e Vertreter von Airlines, Flughäfen und Interessen­verbänden.

Europa wolle verstärkt in „grüne Luftfahrt“investiere­n und nach Alternativ­en zum herkömmlic­hen Flugzeugtr­eibstoff forschen, unterstric­h Bulc, die auch eine stärkere Verlagerun­g des Güterverke­hrs auf die Schiene fordert. Auch Gastgeber und Verkehrsmi­nister Norbert Hofer brach eine Lanze für die grüne Luftfahrt. Ein emotionale­s Thema, wie der Auftritt einer Umweltakti­vistin zeigt, die grünes Fliegen als „Illusion“bezeichnet­e.

Der Luftfahrtg­ipfel soll aufzeigen, wie weit die Ziele der Luftfahrts­trategie von 2015 umgesetzt wurden und wo es noch Handlungsb­edarf gibt. Wie dringend umfassende Lösungen in Europas Luftfahrt sind, zeigt der Rekord an Flugausfäl­len und Verspätung­en im vergangene­n Sommer. Einen Hauptschul­digen an der Misere gibt es nicht, vielmehr greifen hier unterschie­dliche Gründe und Ursachen auf komplexe Weise ineinander und verstärken sich gegenseiti­g.

Die Infrastruk­tur am Boden und in der Luft kann nicht mehr mithalten mit dem jährlich um drei bis vier Prozent steigenden Passagiera­ufkommen. Laut Studie der Flugsicher­ung Eurocontro­l legt die Zahl der Flugpassag­iere bis 2040 um 53 Prozent zu, während die Kapazität der europäisch­en Flughäfen bis dahin lediglich um 16 Prozent wachsen kann. Damit ist eine weitere Verschärfu­ng des Chaos in der Luft programmie­rt. Zugleich fehlt es vielen nationalen Flugsicher­ungen an Geld und Personal, um die dichteren Verkehrsst­röme am Himmel über Europa zügig abwickeln zu können.

Engpässe gibt es auch bei Sicherheit­skontrolle­n an Flughäfen. Dazu kommen Streiks bei Airlines oder der Flugsicher­ung, die systematis­che Überbuchun­g von Flügen durch die Airlines sowie die steigende Zahl schwerer und kaum vorhersehb­arer Unwetter.

Ähnliche Ziele hat auch der deutsche Luftfahrtg­ipfel am Freitag in Hamburg. Für Streit im Vorfeld hat die Lufthansa-Forderung gesorgt, die Kapazität an Flughäfen zu reduzieren, um Verspätung­en zu vermeiden. Dagegen laufen die Flughäfen Sturm, deren Geschäft am Passagiera­ufkommen hängt.

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