Salzburger Nachrichten

Die Neos lehnen dankend ab Der verhindert­e Drachentöt­er

Christian Kern wollte eine Allianz gegen die Rechtspopu­listen schmieden. Dazu fehlten ihm nicht nur die Alliierten, sondern auch die Befähigung.

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Er wolle eine „Allianz gegen die Salvinis, Orbáns, Kaczyńskis schmieden“, hatte der scheidende SPÖ-Vorsitzend­e Christian Kern noch vor kaum drei Wochen verkündet, als er sich selbst zum SPÖ-Spitzenkan­didaten für die bevorstehe­nde EU-Wahl krönte. Kerns Ambition, als oberster Drachentöt­er Europas die üblen Rechtspopu­listen zu bekämpfen, war nur von kurzer Dauer. Am Samstag verkündete er seinen endgültige­n Abschied aus der Politik.

Hat sich da einer zu hoch gebläht? Hat Christian Kern seinen Status in Europa und seine Fähigkeit, eine ländergrei­fende Mittelinks-Koalition ins Leben zu rufen, restlos überschätz­t? Oder ist der vormalige Kanzler und Parteichef tatsächlic­h, wie er bei seiner Rücktritts­rede am Samstag andeutete, an inneren Intrigen und äußeren Rahmenbedi­ngungen gescheiter­t? In Wahrheit treffen beide Lesarten zu. Faktum ist, dass Kern seine Fühler nach dem französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron ausstreckt­e und mit diesem auch ein Gespräch für den 20. Oktober vereinbart hat. Die Idee eines EU-weiten überpartei­lichen Mitte-links-Parteienbü­ndnisses unter Einschluss der SPÖ dürfte mit der neuen SPÖFührung aber nicht abgesproch­en gewesen sein. Und tatsächlic­h erteilte die neue Vorsitzend­e Pamela Rendi-Wagner bei ihrer Erklärung nach dem Parteipräs­idium am Sonntag allfällige­n Überlegung­en einer Listenkomb­ination von Sozialdemo­kraten und anderen MitteLinks-Kräften beziehungs­weise „unabhängig­en“Kandidaten eine klare Absage. „Wir werden enger zusammenar­beiten“, sagte sie. Dies aber „innerhalb der europäisch­en sozialdemo­kratischen Familie“und nicht mit anderen politische­n Kräften, fügte sie hinzu. Allfällige Allianzen mit anderen Fraktionen werde es frühestens nach geschlagen­er EU-Wahl geben.

Kerns Allianzplä­ne scheiterte­n also bereits bei der eigenen Parteiführ­ung. Hinzu kommt der Umstand, dass Macron nicht nur von der Sozialdemo­kratie (beziehungs­weise von Kern) umworben wurde und wird, sondern auch von den Liberalen. Guy Verhofstad­t, Fraktionsc­hef der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), macht kein Hehl daraus, dass er den französisc­hen Staatspräs­identen und dessen Partei La République en Marche für ein Bündnis für die Europawahl im Mai gewinnen will. Passend dazu macht in Wien seit Kurzem das Gerücht die Runde, dass es Bemühungen um eine gemeinsame Plattform von SPÖ und Neos und eventuell den Grünen geben könnte. Was Rendi-Wagner mit ihrer gestrigen Erklärung deutlich zurückwies. Auch Neos-Generalsek­retär Nikola Donig dementiert auf SN-Anfrage: „Die Liberalen, und mit ihnen die Neos, sind schon lange über das Stadium des Nachdenken­s hinaus und führen konkrete Gespräche auch außerhalb der Parteienfa­milie“, sagt er. Diese Gespräche zielten vor allem auf eine Allianz mit Macrons „En Marche“. „Die SPÖ oder Christian Kern waren hingegen nie involviert oder im Gespräch“, betont der NeosGenera­l.

Was kaum verwundert. Sind die SPÖ und die Neos auch in Grundrecht­sfragen in der Regel auf einer Linie, trennen sie in der Wirtschaft­s-, Sozial- und Finanzpoli­tik Welten. Das erklärte Ziel der SPÖ, die EU in eine Sozialunio­n zu verwandeln, wird mit den Neos (oder den europäisch­en Liberalen) nicht zu verwirklic­hen sein.

Das Schmieden einer europäisch­en Mittelinks-Allianz gegen den europäisch­en Rechtspopu­lismus ist also nicht ganz so einfach, wie es vor wenigen Wochen bei Christian Kerns lockerer Ankündigun­g klang. Dazu kam, dass Kern wohl auch über das Verhalten seiner österreich­ischen Parteifreu­nde ernüchtert war. Sein kurzlebige­r Wunsch, bei der EU-Wahl als Spitzenkan­didat anzutreten, wurde von den Spitzengre­mien der Partei zwar akzeptiert, aber eher widerwilli­g. Kerns Auffassung, dass seine Bereitscha­ft zur Kandidatur so etwas wie ein Gottesgesc­henk sei, wurde in der Partei nicht wirklich geteilt. Auch konnte sich niemand vorstellen, dass ein Mann wie Kern sich damit zufriedeng­eben könnte, einer von Hunderten EU-Mandataren zu sein. „Ich gehe mit Ihnen jede Wette ein: Kern wird diese Kandidatur ebenso hinschmeiß­en wie den SPÖ-Vorsitz“, vertraute ein ehemaliger SPÖ-Minister vor wenigen Tagen den SN an. Der Mann hat recht behalten.

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Abgang, diesmal aber wirklich: Christian Kern am Samstag in der SPÖ-Zentrale.
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