Für oder gegen das Frauenvolksbegehren?
Die Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens machen es der Bevölkerung nicht einfach. Weil die Sache sehr komplex ist.
Warum unterstützen Sie das Frauenvolksbegehren? Eine SN-Leserin stellte diese Frage mit hörbarer Unzufriedenheit. Das Interview mit der Soziologin Laura Wiesböck zu tradierten Vorurteilen über Frauen, das die Leserin ins Treffen führte, hatte zwar direkt nichts mit dem noch bis diesen Montag laufenden Volksbegehren zu tun, aber ihre Frage ist spannend. Zudem ist eine Meinungskolumne, noch dazu eine Frauenkolumne, der beste Platz für einen Diskurs übers Frauenvolksbegehren.
Dieser Tage hat die frühere ÖVP-Frauenund -Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat das Frauenvolksbegehren unterschrieben, obwohl sie sich zu früheren Zeitpunkten dagegen ausgesprochen hatte. Genauso wie alle aktuellen Ministerinnen der ÖVP-FPÖ-Regierung hatte Rauch-Kallat vor ihrem Gesinnungswandel argumentiert, dass sie zwar das Grundansinnen des Volksbegehrens unterstütze, aber einzelne Forderungen eben nicht.
Es geht dabei um Unterpunkte, denn das Volksbegehren hat neun Hauptforderungen, die in 36 Unterpunkte gegliedert sind. Und in diesen finden sich auch sehr kontroversiell debattierte Themen wie eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche für alle. Dieser Punkt allein für sich betrachtet kann als unrealistisch, wirtschaftsfeindlich oder überzogen erachtet werden. Doch im Kontext der gesamten Forderungen, wie der Bekämpfung von Armut von Frauen, von Gewalt gegen sie oder des Rufs für eine wirkliche Gleichstellung von Männern und Frauen, kann die eine oder andere Forderung möglicherweise anders beurteilt werden.
Können Frauen und Männer also ein Volksbegehren, das für die Sichtbarkeit und Rechte von Frauen in ganz Österreich eintritt, unterschreiben, wenn ihnen eine oder zwei Forderungen von 36 gegen den Strich gehen? Das muss jede und jeder für sich entscheiden, aber die Auseinandersetzung darüber und das Abwägen, was einem wichtig und was weniger wichtig ist, zahlen sich aus. Nehmen wir das Beispiel Gewalt gegen Frauen. Dieser Tage jährt sich die #MeToo-Kampagne, mittels derer sich weltweit Millionen Frauen mit Übergriffserfahrungen an die Öffentlichkeit gewandt haben. Seither werden sexuelle Belästigungen und Vergewaltigungen nicht mehr schnell mal unter den Teppich gekehrt. Frauen und ihre Geschichten werden gehört. So wie die Opfer des Entertainers Bill Cosby, der zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist, oder die Professorin Christine Blasey, die Brett Kavanaugh, am Samstag zum Richter am Obersten US-Gerichtshof ernannt, der versuchten Vergewaltigung bezichtigt. Ja, Beschuldigte büßen ihren Ruf ein, aber Opfern sexueller Gewalt wird ihr Leben ruiniert. Setzt sich also eine Gesellschaft ernsthaft dafür ein, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, ist das etwas wert: für alle Frauen und Töchter dieses Landes.