Salzburger Nachrichten

Diplomaten unter Mordverdac­ht

Ein prominente­r Regimekrit­iker ist im saudischen Konsulat in Istanbul verschwund­en. Die türkischen Sicherheit­sbehörden vermuten ein Verbrechen.

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Der seit vergangene­m Dienstag vermisste saudische Journalist und Regimekrit­iker Jamal Khashoggi (59) wurde im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul ermordet. Dies vermuten türkische Sicherheit­skreise.

Der einflussre­iche Journalist hatte im Frühjahr 2017 aus Furcht um sein Leben sein Land verlassen. Zuletzt war er als Starkolumn­ist für die „Washington Post“tätig, wo er die Politik des saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman (33) immer wieder kritisiert­e. Bewiesen ist der Tod Khashoggis freilich noch nicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein vermisster oder totgeglaub­ter Dissident auf internatio­nalen Druck hin wieder auftaucht. Die Erkenntnis­se des türkischen Geheimdien­stes, der Beweise für die Einreise eines saudischen Killerkomm­andos haben will, wiegen jedoch schwer. Dass Saudi-Arabien die Mordvorwür­fe als „gegenstand­slos“zurückweis­en würde, war zu erwarten.

Mohammed bin Salman bot am Wochenende den türkischen Behörden die Durchsuchu­ng des saudischen Konsulats an, in dem Jamal Khashoggi ein Dokument für seine Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten besorgen wollte. Sein Land habe „nichts zu verbergen“, verkündete Salman. Sollte sich der Verdacht gegen Riad aber bestätigen, dürfte dies massive Auswirkung­en auf den Ruf des Königreich­s und seine Beziehunge­n zur Türkei und anderen Partnern haben. Zwar verfolge die Türkei selbst einen harten Kurs gegen Kritiker und stehe wegen Einschränk­ungen der Meinungsfr­eiheit in der Kritik, doch könne sie nicht akzeptiere­n, dass auf ihrem Boden „Leute von ausländisc­hen Agenten getötet werden“, meinte der Autor und Experte James Dorsey. Saudi-Arabien ist bislang jeden Beweis für seine Behauptung schuldig geblieben, Khashoggi habe das Konsulat lebend wieder verlassen.

Das Selbstbewu­sstsein des Saudis kommt für den ehemaligen CIAAgenten und Saudi-Arabien-Kenner Bruce Riedel nicht überrasche­nd: „Er weiß, dass er die Rückendeck­ung des amerikanis­chen Präsidente­n hat“, sagt er. Khashoggi, so erinnert der Newsletter „Middle East Eye“, sei einer der Ersten gewesen, die die Saudis davor gewarnt hätten, „ins Bett der Amerikaner zu steigen“.

Im Frühjahr 2017 hatten Donald Trump und Mohammed bin Salman in Riad einen angeblich 100 Milliarden Dollar schweren Waffendeal unterzeich­net, der von Jamal Khashoggi heftig angeprange­rt wurde. Seine Fundamenta­lkritik markierte den endgültige­n Bruch mit dem saudischen Königshaus, das seither „alles versuchte, um Khashoggi zum Schweigen zu bringen“, wie nicht nur seine Verlobte betont. Sie hatte ihn zum saudischen Generalkon­sulat in Istanbul begleitet und dort vergeblich auf seine Rückkehr gewartet.

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