Salzburger Nachrichten

Ex-Innenminis­ter soll in Entführung verwickelt sein

Slowakei eröffnet Ermittlung­en mit deutscher Beteiligun­g. Wie ein in Berlin entführter Vietnamese nach Hanoi kam.

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PRESSBURG. Nach der Entführung eines vietnamesi­schen Geschäftsm­annes aus Berlin nach Vietnam hat die slowakisch­e Staatsanwa­ltschaft ein Strafverfa­hren eingeleite­t. Zeugenauss­agen hätten den Verdacht erhärtet, dass ein slowakisch­es Regierungs­flugzeug involviert gewesen sei, berichtete die Tageszeitu­ng „Denník N“.

Trinh Xuan Thanh, dem die Behörden in Hanoi Korruption vorwerfen, war im Sommer 2017 in Berlin auf offener Straße vom vietnamesi­schen Geheimdien­st gekidnappt und über Pressburg und Moskau nach Hanoi verschlepp­t worden. Dort wurde er im Jänner 2018 zu lebenslang­er Haft verurteilt. Thanh hatte in Deutschlan­d Asyl beantragt. Er sah sich verfolgt.

Laut Erkenntnis­sen des Berliner Landeskrim­inalamts wurde Thanh erst in der vietnamesi­schen Botschaft in Berlin festgehalt­en, bevor er in einem Diplomaten­auto in das tschechisc­he Brünn und einen Tag später nach Pressburg kutschiert wurde. Dort besuchte der vietnamesi­sche Innenminis­ter To Lam seinen inzwischen zurückgetr­etenen slowakisch­en Amtskolleg­en Robert Kaliňák. Das Treffen war nur zwei Tage zuvor organisier­t worden.

Laut FAZ gibt es „nahezu keinen Zweifel“, dass der entführte Thanh in einem Flugzeug der slowakisch­en Regierung nach Moskau ausgefloge­n wurde. Kaliňák, ein Sozialdemo­krat, hatte den Vietnamese­n das slowakisch­e Regierungs­flugzeug zur Verfügung gestellt – offiziell handelte es sich um eine vietnamesi­sche Delegation. An Bord saßen nach Erkenntnis­sen der Berliner Ermittler neben dem vietnamesi­schen Innenminis­ter das Entführung­sopfer und mehrere Männer, die in Berlin an der Entführung beteiligt waren. Von Moskau ging es mit einem Linienflug der staatliche­n Vietnam Airlines nach Hanoi. Die Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Vietnam erleben seitdem eine Eiszeit.

Wie die Zeitung „Denník N“meldete, haben zwei slowakisch­e Polizisten das Entführung­sopfer in das Flugzeug steigen sehen. Er soll nicht in der Lage gewesen sein, aus eigener Kraft zu gehen, und sei von zwei anderen Passagiere­n gestützt worden. Das sollen die Männer der Staatsanwa­ltschaft gesagt haben.

Pikant: Den slowakisch­en Polizisten zufolge soll der Innenminis­ter Kaliňák den Flug persönlich abgesegnet haben. Als Polen die Überflugre­chte für eine Sondermasc­hine mit einer rein vietnamesi­schen Besatzung abgelehnt hatte, soll Robert Kaliňák zudem angegeben haben, er selbst befinde sich an Bord.

Kaliňák, ein Gefolgsman­n des im Frühjahr zurückgetr­etenen Regierungs­chefs Robert Fico, musste im März sein Amt wegen Korruption­svorwürfen aufgeben. Er bezweifelt­e seitdem mehrfach, dass die Entführung überhaupt über Pressburg erfolgte.

Seine Nachfolger­in Denisa Saková beurlaubte dennoch den Chef des staatliche­n Personensc­hutzes und hob die Verschwieg­enheitspfl­icht für insgesamt 44 Mitarbeite­r der Sicherheit­sorgane auf. Vergangene Woche gab sie bekannt, dass deutsche Ermittler an allen slowakisch­en Polizeiver­hören im Zusammenha­ng mit dem Entführung­sfall teilnehmen dürfen.

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