Der Hambacher Forst bleibt
Klimaaktivisten begannen am Sonntag in dem umstrittenen Wald mit dem Bau neuer Baumhäuser. Tags zuvor demonstrierten dort Tausende Braunkohlegegner.
Die Stunden des Triumphs fanden auf einem staubigen Acker im Rheinischen Tagebaurevier statt – mit Blick auf den uralten Hambacher Forst. 50.000 Menschen kamen am Samstag nach Veranstalterangaben aus ganz Deutschland zum Protest von Umweltverbänden wie BUND und Greenpeace – die Polizei sprach von bis zu 30.000. „Das ist der größte Anti-Kohle-Protest, den es bisher gegeben hat“, rief eine Frau von einer Bühne begeistert in die Menge. Und aus dieser brandete stakkatohaft der Ruf auf: „Hambi bleibt, Hambi bleibt, Hambi bleibt!“
Es war der bunte und fröhliche Abschluss dramatischer Wochen im Hambacher Forst: Am Freitag kam die überraschende Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass der Energiekonzern RWE in dem uralten Wald vorerst keine weiteren Bäume abholzen darf – bis zu einer Gerichtsentscheidung über eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). RWE wollte in den kommenden Monaten mehr als die Hälfte des verbliebenen Waldes fällen, um Braunkohle abzubauen.
Es kam zur wochenlangen Räumung von Baumhäusern junger Waldbesetzer, mit einem Großaufgebot der Polizei: Beamte mit Helmen und Schutzschilden. Und es gab einen Toten. Der junge Journalist, der von einer Hängebrücke aus großer Höhe abstürzte, war auch am Samstag nicht vergessen: In einer Schweigeminute wich die Festivalstimmung der Betroffenheit. Und sie wich noch einmal der Empörung, dass Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) die Aktivisten gleich danach aufforderte, von den Bäumen herunterzukommen.
Empörung und Wut über die nordrhein-westfälische Landesregierung hatten an diesem Tag viele Facetten. „Dass Baurecht für die Räumung missbraucht wurde, das war für mich eine Machtdemonstration. Das hat mich wütend gemacht“, sagte die 50-jährige Düsseldorferin Sandra Shebeika. Die Landesregierung hatte die Baumhäuser nicht für die Braunkohle räumen lassen, sondern erklärtermaßen aus Sicherheitsgründen.
„Ich hatte nicht gedacht, dass Politik von Geld so eingenommen werden kann“, kritisierte eine 63jährige Düsseldorferin die schwarzgelbe Landesregierung. Für ihre Enkelkinder sei sie gekommen, für sie wolle sie den Kohleausstieg.
Es war auch der Tag der Kämpfer der ersten Stunde wie Waldführer Michael Zobel und seine Frau Eva. 2014 machte er den ersten Protestspaziergang gegen die drohende Rodung des Waldes – mit 50 Leuten. Zuletzt waren es 15.000. Aber sie kämpfen weiter: „Der Wald ist aus dem Schussfeld, erst einmal. Wir müssen dranbleiben.“
Die Vorsitzende der NRW-Grünen, Mona Neubaur, hat die Demonstration vom Samstag am Hambacher Forst als „Volksfest für den Klimaschutz“beschrieben. „Dies ist ein unübersehbares Signal für entschlossene Klimaschutzpolitik“, sagte sie am Sonntag auf einem Kleinen Parteitag am Rande des Hambacher Forstes. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte die Grünen für die Wahl des Veranstaltungsortes kritisiert. Sie würden damit „Öl ins Feuer gießen“.
Neubaur verwies, dass das Oberverwaltungsgericht Münster am Freitag einen vorläufigen Rodungsstopp für den Hambacher Forst verfügt hatte. „Auch dem Innenminister wurde mit dem Urteil ein Stoppschild in seinen Irrweg gestellt, permanent den friedlichen Protest zu verunglimpfen“, sagte sie. Reul solle sich besser fragen, was man mit dem sicher zweistelligen Millionenbetrag hätte tun können, den er für die Räumung des Hambacher Forstes ausgegeben habe. Der Konflikt sei letztlich auf dem Rücken der Polizisten ausgetragen worden, weil die schwarz-gelbe Landesregierung „zu feige“gewesen sei, ihn zu lösen.
Klimaaktivisten begannen indessen am Sonntag mit dem Bau neuer Baumhäuser. Die Gruppe „Ende Gelände“hatte dazu aufgerufen.