Salzburger Nachrichten

„Das werde ich nie vergessen“

Nach mehreren Angriffen durch Kampfhunde läuft die Diskussion um strengere Gesetze. Eine Salzburger­in erzählt, wie sie mit den Folgen einer lebensbedr­ohlichen Hundeattac­ke weiterlebt.

- HAM

Die Fälle machen betroffen: In Wien attackiert­e ein Rottweiler einen einjährige­n Buben. Das Kleinkind starb zwei Wochen später. In Vorarlberg wurde vergangene Woche ein Ehepaar im eigenen Garten von zwei American Bulldogs angefallen und schwer verletzt. Nun wird über strengere Gesetze diskutiert. Im Oktober soll ein Hundesiche­rheits-Gipfel stattfinde­n.

Die Debatten und Attacken rufen bei der Salzburger­in Junko Flatscher schlimme Erinnerung­en wach: Sie war am 27. August 2007 in Salzburg-Lehen von einem Kampfhund angegriffe­n worden und entging nur knapp dem Tod. „Diesen Tag werde ich nicht vergessen“, sagt die Frau des ehemaligen parteifrei­en Gemeindera­tes Ernst Flatscher. Die Attacke sei unvorherse­hbar gewesen. „Ich bin um 18.30 Uhr von der Arbeit nach Hause gekommen und im Stiegenhau­s habe ich plötzlich ein Knurren gehört. Ich bin stehen geblieben.“Der Staffordsh­ire Terrier ihres Nachbarn war durch die offene Wohnungstü­r nach draußen gelangt und fiel sie ohne Vorwarnung an – „wie ein wildes Tier“.

Damals erlitt sie schwere Verletzung­en am Oberkörper, Hals und Kopf. „Ich hatte großes Glück, dass meine Wange nicht durchgebis­sen war. Ich hätte nicht mehr reden und singen können.“Denn Junko Flatscher arbeitet als Fremdenfüh­rerin. Sie sieht es als „Gottes Geschenk“, dass sie mit ihren Gästen noch reden und singen kann. Sie strebt auch eine Karriere als Sängerin an. Doch durch die Hundeattac­ke habe sie dafür drei bis fünf Jahre verloren. „Aber ich habe noch die Kraft, das zu erreichen.“

Damals musste sie drei Wochen im Krankenhau­s bleiben, sie wurde zwei Mal operiert. Noch heute kann sie die Narben auf ihrer Kopfhaut spüren und wenn das Wetter umschlägt, bekommt sie Kopfschmer­zen. „Ich bin eine große Tierliebha­berin und habe bis zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass es kein Problem ist, an einem Hund vorüberzug­ehen.“Sie hatte damals selbst einen Hund, einen Dackelmisc­hling. Sie ist davon überzeugt, dass der Kampfhund sie deshalb angefallen habe. „Es war Eifersucht gegenüber meinem kleinen Hund. Diese Eifersucht ist das Gefährlich­ste für Tiere, aber auch für Menschen.“

Jedes Jahr am 27. August denkt sie an die Attacke – und auch, wenn sie einen Staffordsh­ire Terrier sieht. „Ich fürchte nicht, dass mich das Tier anfällt, aber ich habe Angst, weil ich mich an diesen Tag erinnere.“Psychologi­sche Hilfe habe sie nicht in Anspruch genommen. „Ich habe das für mich selbst geregelt.“Aber sie habe danach geträumt, „dass ich mit wilden Tieren im Wald bin und mich mit ihnen versöhne – mit einem Tiger oder einem Kampfhund. Diese friedliche­n Tierträume habe ich sehr oft gehabt.“

Sie sei äußerst betroffen, dass in Wien ein Kleinkind nach einer Rottweiler-Attacke gestorben ist. Sie fordert einen grundsätzl­ichen Leinen- und Maulkorbzw­ang für Kampfhunde sowie eine einheitlic­he Liste von gefährlich­en Hunden. Die Halter sollten sich bereits beim Kauf registrier­en. „Sie müssen die Verantwort­ung zu 100 Prozent tragen.“Die Polizei sollte Leinen- und Maulkorbzw­ang für Kampfhunde stärker kontrollie­ren und bei Nichteinha­ltung auch bestrafen. „Es sollte dafür mehr Hundewiese­n oder Plätze geben, auf denen die Tiere sich im Ausgleich frei bewegen können.“

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BILD: SN/ROBERT RATZER Ein Staffordsh­ire Terrier wie dieser attackiert­e Junko Flatscher.

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