„Es geht manchen zu schnell“
Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hält diese Bundesregierung für alternativlos. Die Reformen, die jetzt angegangen werden, seien unbedingt notwendig und richtig.
SN: Derzeit laufen drei Volksbegehren. Welches haben Sie unterschrieben? Haslauer: Keines. SN: Warum? Als Politiker bin ich zum Handeln aufgefordert und nicht dazu, Forderungen an die Politik zu unterschreiben. Es gab nur eine Ausnahme. SN: Welche? Ich habe seinerzeit für die Beibehaltung der Wehrpflicht unterschrieben. SN: Wie beurteilen Sie die Inhalte der Volksbegehren? Die Inhalte des Frauenvolksbegehrens sind für mich problematisch. Nicht wegen der grundsätzlichen Ausrichtung, sondern weil etwa die Forderung nach einer 30-StundenWoche enthalten ist. Damit kann ich mich nicht identifizieren. Als ehemaliger Raucher bin ich ein toleranter Nichtraucher. Ich kann auch mit der alten Regelung gut leben. Aber natürlich ist die für die Beschäftigten in der Gastronomie ein Problem. Das muss man auch sehen. SN: Was halten Sie von der Forderung, die ORF-Gebühren abzuschaffen? Dann müsste der ORF aus dem Bundesbudget finanziert werden. Das ist nicht unproblematisch. Dadurch wird ein noch stärkeres politisches Naheverhältnis kreiert.
Wenn Volksbegehren erfolgreich sind, soll es dann eine Volksabstimmung geben? Bei einer sehr hohen Anzahl an Unterschriften, die Untergrenze ist für mich eine Million, muss die Bundesregierung ihre Vorhaben infrage stellen. Denn dann signalisiert die Bevölkerung, dass sie anscheinend etwas anderes will als die Regierung.
Sie haben sich in Salzburg für eine Zusammenarbeit mit Neos und Grünen entschieden und nicht mit der FPÖ. Dies, obwohl Ihre Bundespartei eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen gern gesehen hätte. Nach dem Wahlergebnis hätte sich nicht eine Zusammenarbeit mit der FPÖ, sondern mit der SPÖ aufgedrängt. Diese ist in Salzburg die zweitstärkste Partei. Ich habe also drei Optionen gehabt. Im Bund gab es das nicht. Da existierte keine Alternative zur derzeitigen Regierung. Eine Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP wäre in Wien nicht gescheit gewesen, die beiden Parteien brauchen eine Abkühlphase in ihrer Beziehung. In Salzburg habe ich mich letztlich für eine Regierung der Mitte entschieden. Die ÖVP hat ja einen breiten Meinungsbogen, in dem auch grüne und wirtschaftsliberale Elemente enthalten sind.
Es gibt also keine Berührungsängste, solange diese Parteien ihre radikaleren Ansichten kanalisieren können. Wir haben das durchgesprochen. Aber auch das Gesprächsklima mit der FPÖ war in Ordnung. Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ wäre also keine Regierung der Mitte, sondern eine rechte Regierung gewesen? Sie wäre Mitte-rechts gewesen. Die FPÖ ist eine rechte Partei. Ich sehe Salzburg anders. Das Land ist stark in seiner Tradition verankert, trotzdem weltoffen und europafreundlich. So gibt es in der Kultur einen Bogen von der Volkskultur bis zu den Festspielen. Das ist unser Leuchtturm, diese Weltoffenheit wollen wir weiter leben, das geht mit der bestehenden Koalition am besten. SN: Zurück zur Bundespolitik: Verändert sich Österreich durch die ÖVP-FPÖ-Koalition? Diese Regierung ist alternativlos. Das Land braucht Reformen. Jetzt geht es manchen zu schnell, da muss ich schon schmunzeln. Jetzt werden die großen Reformen angegangen, etwa bei der Sozialversicherung. Das ist notwendig. SN: Was sagen Sie zu den Eskapaden der FPÖ? Welche Eskapaden? SN: Es gibt Bedenken des Wirtschaftsflügels der ÖVP, der vor einer Radikalisierung etwa in der Europafrage warnt. Christoph Leitl hat Harald Vilimsky (FPÖ) als tickende Zeitbombe bezeichnet. Wir leben in einem Land, das die Meinungsfreiheit hochhält. Jeder kann sagen, was er will. SN: Was ist, wenn sich der Kurs der FPÖ zum Thema EU weiter verschärft? Wo sind die roten Linien der ÖVP? Die FPÖ ist europapolitisch klar auf Kurs, so wie es im Regierungsprogramm vereinbart wurde. Es gibt aber eine politische Kampfrhetorik der FPÖ, die etwa in Salzburg nicht üblich ist. Aber man muss auch Respekt vor fremden Meinungen haben, egal ob von links oder von rechts. Die ÖVP ist nicht verantwortlich für politische Äußerungen von anderen. Aggressivität und Radikalität richten sich von selbst, da muss man nicht zurückschlagen, die kann man ins Leere laufen lassen. Da sollte man tiefenentspannt sein. Für mich zählt, was in der Bundesregierung beschlossen wird. SN: Erfüllt die Regierung Ihre Erwartung? Ja. SN: Ist die Salzburger Regierung (ÖVP, Neos, Grüne) ein Modell für den Bund? Dazu müssten die Grünen erst in den Nationalrat kommen. Für mich war das keine Überlegung. Ich habe gute Gesprächskontakte in alle Richtungen. Nur weil jemand eine andere Meinung hat oder einer anderen Partei angehört, ist er kein schlechter oder verwerflicher Mensch. Ich würde mir zeitweise schon eine Äquidistanz in der Beurteilung wünschen. Als Christian Kern einen Bannstrahl gegen die Zeitung „Österreich“und den ORF ausgesandt hat, war die Aufregung nicht besonders groß. Beim Innenminister hingegen war die Aufregung groß. Da wird oft auch ein Bild bedient und verstärkt. SN: Aber auch Sie sind mit einzelnen Entscheidungen nicht einverstanden. Sie sind etwa dafür, dass Asylbewerber, auch wenn sie einen negativen Bescheid haben, die Lehre abschließen dürfen. Ich halte das für sinnvoll, dass sie ihre Lehre fertig machen dürfen. Aber grundsätzlich ist es gut, Asyl nicht mit Arbeitsmarktfragen zu vermischen. Jetzt dürfen Asylbewerber nicht arbeiten, dann muss es aber kurze Asylverfahren geben. Die Leute können ja nicht fünf, sechs Jahre herumsitzen. Wenn wir Zuwanderung brauchen, wenn es zu wenige Fachkräfte gibt, muss das über die Österreich-Card organisiert werden. Für die 300 Asylbewerber in der Lehre, die abgeschoben werden sollen, wird eine Lösung gesucht. Da bremst aber die FPÖ. Grundsätzlich sind ja alle einig, dass es keinen ungebremsten Zuzug geben kann, aber im Einzelfall sagen dann viele, es muss doch einen Weg geben. In der Frage wird es keine hundertprozentige Lösung geben. Aber dass es eine Korrektur in der Flüchtlingsfrage gegeben hat, war notwendig, sonst hätte sich dieses Land radikalisiert, wie es keiner gewollt hätte. SN: Glauben Sie an die Verteilung der Flüchtlinge in der EU? Das ist nicht umsetzbar. Die Probleme müssen an der Außengrenze gelöst werden. Man muss ja auch sagen, kein Migrant hat Interesse, etwa in Bulgarien zu bleiben, sie wollen in die wohlhabenderen Länder. SN: Zum Dauerthema Bundesstaatsreform: Jetzt gibt es wieder einen Versuch, was halten Sie davon? Österreich ist ein Bundesstaat. Die Länder sind zwei Mal an der Wiege der Republik gestanden. Föderal organisierte Länder sind in Europa die erfolgreichsten – etwa Österreich, Deutschland, die Schweiz und Belgien. In Deutschland gibt es eine Reihe von Bundesländern, die kleiner als Niederösterreich sind. Dieses Staatsmodell ist richtig. Je weiter weg die politischen Entscheidungen getroffen werden, desto entfremdeter wird die Politik den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist ja auch das Problem der EU. Ihre Institutionen erzeugen keine Nähe. SN: SN: SN: SN: SN: Was gehört geändert? Man muss immer wieder darüber nachdenken, ob die Aufgabenverteilung zeitgemäß ist. Die LH-Konferenz ist sich etwa einig, dass das Prinzip „Grundsatzgesetzgebung Bund, Ausführungsgesetze Länder“abgeschafft gehört, weil der Bund seine Gesetze so formuliert, dass kaum Gestaltungsmöglichkeiten bleiben. Bei der Mindestsicherung, wo es große regionale Unterschiede bei den Wohnkosten gibt, muss man darüber reden. Und auch bei den Krankenanstalten braucht es Spielräume. Gehört das nicht zentral gesteuert? Ja, aber was mache ich, wenn dann ein Spital in Tamsweg oder Mittersill zugesperrt wird? Wir können schon selbst entscheiden, was unsere peripheren Regionen brauchen. Es geht auch darum, den Trend in die Zentralräume einzudämmen. Da muss es auf dem Land eine ansprechende Infrastruktur geben. Die Gesundheitseinrichtungen sind die wichtigste Infrastruktur. Wie soll ich einem Lungauer erklären, dass es für ihn keine ansprechende Versorgung gibt? Volkswirtschaftlich ist das aber nicht sinnvoll. Man kann Politik nicht nur mit dem Rechenschieber machen, sonst müsste ich ein Viertel der Volksschulen in den Gemeinden zusperren.
In anderen Ländern ist das Gesundheitswesen auch gut, aber anders organisiert. Es gibt ja auch andere Spielfelder als die Regionen. Im Salzburger Zentralraum gibt es mehrere Spitäler. Auch hier kann man die Zusammenarbeit verstärken. Eine optimale Versorgung darf es nicht nur in den Ballungsgebieten geben, sondern es muss sie auch in den Regionengeben. Welche Nachteile drohen durch die Landflucht? Das sehen wir in Italien, Spanien und Frankreich. Ganze Talschaften sind unbewohnt. Aber das ist eine grundsätzliche Auseinandersetzung. Ist das Land ein Erholungsraum für die Städter oder ein Entwicklungsraum für die ländliche Bevölkerung? Einige sehen den ländlichen Raum nur als romantische Idylle für ihren Wochenendausflug. Ich nicht. Das Interview wurde von den Chefredakteuren der Bundesländerzeitungen und „Die Presse“geführt. Für die SN nahm Manfred Perterer daran teil.