Offene Grenzen schätzen gelernt
Vor einem Dreivierteljahrhundert im nördlichen Waldviertel, an der Grenze zur Tschechoslowakei geboren und aufgewachsen, war die Grenze zum Nachbarn allgegenwärtig. Das „Drüben“kannte man nur aus den Erzählungen von Verwandten und Bekannten, die vor dem Krieg dort arbeiteten, wohnten oder sogar von dort abstammten. Für uns Kinder war die Welt an dieser Grenze zu Ende.
1955 kam der Staatsvertrag, nun war Reisen innerhalb Österreichs nicht mehr durch Demarkationsgrenzen erschwert wie in Linz auf der Fahrt nach Salzburg oder nach Tirol.
Nach meiner Ausbildung wollte ich nach Salzburg und fand einen Job bei einer Textilfirma. Meine Fahrt mit dem Firmen-Lkw aus dem Waldviertel in den Pinzgau ging über das Kleine Deutsche Eck. Da ich keinen Pass besaß, musste ich vor der Grenze auf die Ladefläche übersiedeln.
Bei der nächsten Gelegenheit beantragte ich bei der BH Zell am See meinen ersten Pass. Die Stempel in diesem Dokument zeigen mir, wo ich innerhalb der heutigen Grenzen der EU in ein anderes Land wechselte, was damals nicht immer einfach war. Man benötigte Visa und musste Durchreisegebühren zahlen. So gab es bei einer Reise nach Berlin zu Ostern 1968 zwar keine Probleme bei der Durchfahrt in die ČSSR, aber beim Grenzübergang Zinnwald zur DDR wäre die Fahrt schon fast wieder zu Ende gewesen. Ich hatte in meiner Valutendeklaration ein Zwei-Groschen-Stück nicht angegeben!
Heute kann ich alle Länder der EU bereisen, von Grenzen ist nichts zu merken. Nur die Beschriftung auf den Wegweisern zeigt, dass ich Österreich verlassen habe. Das ist Europa, wie ich es mir vorstelle.