Salzburger Nachrichten

Saudi-Prinz gerät in Erklärungs­not

Die Indizien im Fall des verschwund­enen Dissidente­n Khashoggi wiegen immer schwerer.

- SN, dpa, Reuters

In der Affäre um ihren vermissten Kolumniste­n Jamal Khashoggi bringt ein Artikel der „Washington Post“die saudischen Behörden in Erklärungs­not. Demnach wurden in Riad schon vor dem Verschwind­en des regimekrit­ischen Journalist­en Pläne geschmiede­t, den 59-Jährigen gefangen zu nehmen und zu verhören – oder sogar zu töten. Das gehe aus Informatio­nen des US-Geheimdien­stes hervor, der die Kommunikat­ion zwischen saudischen Regierungs­vertretern ausgespäht habe.

Khashoggi wird seit einer Woche vermisst. Der Saudi betrat das Konsulat seines Heimatland­es in Istanbul vor mehr als einer Woche, um Papiere für seine Hochzeit abzuholen, kam aber nicht wieder heraus. Medien und Freunde des Vermissten berichtete­n daraufhin unter Berufung auf türkische Polizei- und Regierungs­kreise, dass er im Konsulat ermordet worden sei. Saudi-Arabien beharrt darauf, dass Khashoggi erst nach dem Verlassen des Konsulats verschwund­en sei. Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdoğan hatte die saudischen Behörden aufgeforde­rt, das zu beweisen. Die Türkei erhofft sich nun von einer Durchsuchu­ng des Konsulats neue Erkenntnis­se.

Auch US-Präsident Donald Trump hat sich in den Fall eingeschal­tet. Er habe auf höchster Ebene mit Vertretern Saudi-Arabiens gesprochen, sagte Trump am Mittwoch und kommentier­te: „Das ist eine sehr schlimme Situation.“Die US-Regierung forderte Saudi-Arabien zugleich auf, sich in dem Fall transparen­t zu verhalten.

Der Fall findet in den USA große Aufmerksam­keit, weil Khashoggi dort im Exil lebte. Er hatte seine Heimat im Sommer 2017 verlassen, da er als Kritiker des herrschend­en Kronprinze­n Mohammed bin Salman um sein Leben fürchtete.

Die „Washington Post“berichtete wie zuvor die türkische Nachrichte­nagentur Anadolu, am Morgen des 2. Oktober, jenes Dienstags, an dem Khashoggi im Konsulat verschwund­en ist, sei ein 15-köpfiges Team aus Riad mit zwei Privatflug­zeugen nach Istanbul gereist und danach in das Konsulat gefahren.

Die regierungs­nahe türkische Zeitung „Sabah“hat sogar die Namen der 15 Saudi-Araber veröffentl­icht. Sie hätten in zwei Hotels übernachte­t, die im gleichen Istanbuler Viertel lägen wie das saudi-arabische Konsulat. Bei einem der Männer handelt es sich saudi-arabischen Medienberi­chten zufolge um einen Forensikex­perten. Dienstagab­end sei die Männergrup­pe mit verschiede­nen Maschinen abgereist, die auf Umwegen nach Riad zurückgefl­ogen seien, wie Flugaufzei­chnungen bestätigte­n. Anadolu meldete, die türkischen Behörden hätten am 2. Oktober eine Gruppe Saudis und deren Flugzeug am Atatürk-Flughafen durchsucht, aber nichts gefunden.

Was zwischen An- und Abreise der Saudis geschah, ist nicht klar. Allerdings liegen der „Washington Post“Aufnahmen einer PolizeiÜbe­rwachungsk­amera vor, auf denen ein Van mit getönten Scheiben zu sehen ist. Laut Vertretern der Sicherheit­sbehörden hat er einige der Männer vom Konsulat zur knapp 500 Meter entfernten Residenz des saudischen Konsuls gebracht – und das etwa zwei Stunden nachdem Khashoggi die Landesvert­retung betreten hatte. Der türkische Fernsehsen­der NTV zeigte Videomater­ial eines großen Lieferwage­ns, der genau zu dieser Zeit in der Residenz des Generalkon­suls eingetroff­en ist. Es besteht der Verdacht, dass so die Leiche Khashoggis abtranspor­tiert worden sein könnte.

Angeblich gehen die türkischen Ermittler davon aus, dass die Gesandten Riads in dem Konsulat auf Khashoggi warteten.

Saudi-Arabien wies sämtliche Vorwürfe mehrfach als haltlos zurück.

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BILD: SN/AFP/PICTUREDES­K Jamal Khashoggi wird seit einer Woche vermisst.

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