Republik der Söhne und Töchter
Der Sohn eines Landeshauptmanns wird Spitzenkandidat bei der EU-Wahl. Wirklich ungewöhnlich ist das in Österreich nicht.
Die Primogenitur – die Weitergabe des Herrscheramts vom Vater an den ältesten Sohn (oder die älteste Tochter) – ist eine politische Erbregelung aus der Zeit der Monarchie. Doch obwohl diese Herrschaftsform in Österreich vor 100 Jahren abgeschafft wurde, setzen auch heute in der Republik überraschend oft die Söhne (und vereinzelt auch Töchter) die politischen Karrieren ihre Väter fort.
Jüngstes Beispiel ist Luca Kaiser, der Sohn des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser. Der 24Jährige wurde am Dienstag zum Spitzenkandidaten der Kärntner SPÖ für die Europawahl im Mai bestellt. Bereits bei der Nationalratswahl im Vorjahr hatte er für die SPÖ kandidiert. Derzeit ist Kaiser für die Partei als Klubmitarbeiter im Wiener Parlament tätig.
Dort trifft Kaiser auf andere Politiker-Sprösslinge. Die FPÖ-Abgeordnete Petra Steger ist die Tochter des früheren Vizekanzlers und nunmehrigen ORF-Stiftungsrat-Vorsitzenden Norbert Steger. Bei der jüngsten Regierungsbildung war Petra Steger sogar als mögliche Staatssekretärin im Gespräch gewesen. Ihr Fraktionskollege Wendelin Mölzer ist der Sohn des früheren FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer. Und der frühere SPÖ-Klub- chef Andreas Schieder, der einige Plätze vor Luca Kaiser an der Spitze der EU-Liste der SPÖ kandidieren wird, ist der Sohn des langjährigen außenpolitischen Sprechers der SPÖ, Peter Schieder.
Auch der Vater des geschäftsführenden FPÖ-Klubobmannes Johann Gudenus – John Gudenus – saß im Parlament. Die seit vielen Jahren in Wien amtierende Umweltstadträtin Ulli Sima ist die Enkelin des früheren Kärntner Landeshauptmanns Hans Sima. Und die jüngst von den Neos zur ÖVP gewechselte Salzburger Politikerin Barbara Unterkofler ist die Tochter der früheren ÖVPLandesrätin Maria Haidinger.
In den Bundesländern fühlt man sich mitunter an monarchische Sitten erinnert. In der Steiermark ging das Amt des Landeshauptmannes vom Vater Josef Krainer senior nach einer gewissen Unterbrechung an den Sohn Josef Krainer junior über. Zusammen regierten die Krainers das Land immerhin 38 Jahre lang.
So weit sind die Haslauers in Salzburg noch nicht. Vater Wilfried Haslauer senior war zwölf Jahre Landeshauptmann, sein Sohn Wilfried Haslauer junior steht derzeit das sechste Jahr an der Spitze der Landesregierung.
Aber nicht nur Söhne, auch Schwiegersöhne haben in der Politik offensichtlich einen gewissen Startvorteil. In Tirol schaffte es Herwig van Staa – obwohl geborener Oberösterreicher – als Schwiegersohn des legendären Landeshauptmanns Eduard Wallnöfer in den Landeshauptmannsessel.
Aber warum zieht es so viele Söhne und Töchter von Politikern in die Politik? Das hängt vermutlich mit der Prägung seit frühester Kindheit zusammen. Heinz Fischer zum Beispiel ist der Sohn Rudolf Fischers, der in den Staatsvertragsjahren für die SPÖ als Staatssekretär in der Regierung von Julius Raab saß. Fischer erzählt, dass er daher schon als Kind fast alle Politiker der Staatsvertragsgeneration kennengelernt habe, wenn sie bei seinen Eltern daheim zu Gast gewesen seien. Das habe früh sein Interesse an Politik geweckt. Sein Weg führte ihn dann bis an die Spitze des Nationalrats und schließlich ins Amt des Bundespräsidenten.
Gewisse Probleme mit dem politischen Engagement seines Sohnes hatte im vergangenen Wahlkampf der damalige SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern. Als sein Sohn Niko als Leiter der SPÖ-„Sektion ohne Namen“in den sozialen Medien einen Vergleich zwischen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz und dem blutrünstigen afrikanischen Diktator Idi Amin anstellte, kam Vater Kern in leichte Erklärungsnot, verwies aber darauf, dass sein Sohn bereits volljährig und daher für sich allein verantwortlich sei.
Auch Bernhard Häupl, der Sohn von Michael Häupl, dem langjährigen Wiener Bürgermeister und letzten starken Mann der Sozialdemokratie, begann eine politische Karriere, natürlich in der SPÖ. Wie überhaupt auffällt, dass die Söhne und Töchter praktisch immer in der Partei ihres Vaters bzw. ihrer Mutter aktiv werden. Eine Ausnahme in jüngerer Zeit war der Niederösterreicher Ernest Gabmann junior, der für das Team Stronach in den Landtag einzog, während sein Vater Ernest Gabmann senior ÖVP-Landeshauptmann-Stellvertreter war.
Ist es in der Politik nun ein Voroder ein Nachteil, einen Politiker zum Vater zu haben? Für Wilfried Haslauer war es sicher kein Nachteil beim Einstieg in die Politik, dass der Name Haslauer in Salzburg einen guten Klang hatte.
Vater und Sohn Kaiser mussten sich am Dienstag hingegen fragen lassen, ob die Nominierung des Sohnes als EU-Kandidat nicht an Nepotismus grenze. Nein, antworteten beide, denn er sei demokratisch gewählt worden. Und Vater Kaiser erklärte, es sei ihm immer wichtig gewesen, dass sich Menschen politisch engagieren. Also könne er nicht bei seinem Sohn andere Maßstäbe anlegen.
Und Bernhard Häupl beantwortete die „nervige Papa-Frage“, wie er sagte, in einem Interview einmal folgendermaßen: „Der Sohn eines Kochs kann ja auch Koch werden.“
„Der Sohn eines Kochs kann ja auch Koch werden.“