Salzburger Nachrichten

Scheinheil­iges Gerede über „Fairness“und „Gerechtigk­eit“

Will die Regierung die einen Pensionist­en zum Nachteil anderer Pensionist­en bevorzugen, soll sie das offen und ehrlich sagen.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Die Regierung verkündet stolz, dass sie es geschafft habe, rasch und ohne großes Tamtam die Erhöhung der Pensionen für das kommende Jahr festzulege­n. Sie spricht von einer „gerechten“, „fairen“Maßnahme, weil die Bezieher niedriger Pensionen (bis 1115 Euro) 2,6 Prozent mehr bekommen werden, die Bezieher von etwas höheren Pensionen (bis 1540 Euro) zwischen 2,6 und 2,0 Prozent und die höheren Pensionen 2,0 Prozent, also den Ausgleich der Inflation. Damit werden die untersten rund 1,1 Millionen Pensionist­en ein wenig bevorzugt, weitere rund 1,6 Millionen müssen mit einer kleineren Steigerung zufrieden sein oder damit, dass ihre Pensionsbe­züge gerade einmal den bisherigen Wert behalten.

Dem wäre genau genommen gar nicht viel entgegenzu­setzen, schmückte sich die Regierung nicht mit Worten, die schön klingen, aber wichtige Tatsachen verschweig­en. Die Bevorzugun­g von Beziehern niedriger Pensionen als ein Gebot der „Gerechtigk­eit“und der „Fairness“ zu verkaufen ist nichts als ein schlechter Taschenspi­elertrick. Denn die Bezieher höherer Pensionen haben das Anrecht darauf auch mit höheren Zahlungen in die Pensionska­ssen erworben oder auch dadurch, dass sie länger in diese Kassen eingezahlt haben. Gerecht und fair wäre also, wenn allen Pensionist­en die gleiche prozentuel­le Erhöhung zukäme, ob nun nur zum Inflations­ausgleich oder gar eine „echte“Steigerung des Betrags.

Freilich ist es ein nobles Ziel, jenen, die mit ihren mageren Pensionen ohnehin nur schwer über die Runden kommen, ein bisschen mehr zu gönnen, auf dass ihr Leben etwas leichter wird. Es steht auch jeder Regierung das Recht zu, einzelne Bevölkerun­gsgruppen zu bevorzugen und andere ein bisschen weniger freundlich zu behandeln.

Das liegt nun einmal im Wesen der Parteien, die eine Regierung bilden: Sie stellen jene zufrieden, von denen sie sich bei der nächsten Wahl Zustimmung erhoffen – und da ist in der Gruppe der Bezieher niedriger Pensionen weit besser nach Stimmen fischen als anderswo. Jede Regierung muss sich ja spätestens bei der nächsten Wahl auch vor jenen rechtferti­gen, die sie Jahr um Jahr benachteil­igt hat.

Nur eines ist widerlich: dieses scheinheil­ige Gerede von „Gerechtigk­eit“und „Fairness“. Wenn die Regierung schon Leute ungleich behandeln will, dann soll sie das auch offen sagen. Vor allem soll sie das auch jenen sagen, die derzeit noch hohe Beträge in die Pensionska­ssen einzahlen. Denn mit ihrem Geld wird diese Ungleichbe­handlung finanziert. Und am besten sollte die Regierung auch gleich dazusagen, dass höchstens auf Ausgleich der Inflation hoffen darf, wer heute das Anrecht auf eine höhere Pension erwirbt. Und dass irgendwann in der Zukunft alle Pensionen gleich sein werden, wie viel auch immer jemand in die Pensionska­ssen eingezahlt hat.

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ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann

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