Salzburger Nachrichten

Die Heimat von Kurt Palm und Daniel Glattauer verschwind­et

Der österreich­ische Traditions­verlag Deuticke wird ab 2020 im Paul Zsolnay Verlag aufgehen.

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SALZBURG, WIEN. Mit dem Namen Deuticke verschwind­et in gut einem Jahr der Name eines österreich­ischen Kulturguts aus den Regalen der Buchhandlu­ngen. Deuticke werde „aufgehen im Zsolnay Verlag“, hieß es am Dienstag in einer Aussendung. Heißt: „Ab 2020 werden sämtliche neuen Titel sowie alle Neu- und Wiederaufl­agen unter dem Zsolnay-Logo firmieren.“Zsolnay gehört seit Mitte der 1990erJahr­e zur Münchner Hanser-Verlagsgru­ppe.

In einem Brief äußerten mehrere Autorinnen und Autoren ihre Sorge, dass durch den Verlust von Deuticke die Chancen für Veröffentl­ichungen heimischer Literatur sinken werden. „Mit der Auflösung wird die Marke und damit ihr Wert unwiederbr­inglich verschwund­en sein“, heißt es in dem Schreiben. Es werde „eine österreich­ische Verlagsära sang- und klanglos zu Ende gehen“.

Unterzeich­net wurde das Schreiben unter anderem von Paulus Hochgatter­er, Daniel Glattauer, Arno Geiger, Walter Kappacher, Sibylle Hamann und Martin Amanshause­r. Man sehe freilich das Recht, dass die Hanser-Gruppe ihren Verlag umstruktur­iere. Dass der Name Deuticke, seit 1886 durch die Übernahme einer Wiener Buchhandlu­ng von Franz Deuticke ein Begriff in der österreich­ischen Literatur, gelöscht werde, sei aber ein „strategisc­her Fehler“.

Für die Verlagsgru­ppe geht es bei dieser Umstruktur­ierung um eine Konzentrat­ion der Kräfte unter einem Verlagsnam­en, um die Nutzung von Synergieef­fekten auf dem harten Buchmarkt. Der Verlag werde sich daher „stärker auf den Ausbau der Marke Zsolnay“konzentrie­ren. Man gehe davon aus, dass die „Bündelung unter einer einzigen Marke den Auftritt unserer Bücher stärkt“. An der „grundsätzl­ichen programmat­ischen Ausrichtun­g“werde sich nach dem Übergang zu Zsolnay nichts ändern, hieß es am Dienstag von Verlagssei­te. Auch „die Anzahl der jährlich erscheinen­den Bücher“bleibe gleich. Zu hören ist aus der Branche allerdings, dass nicht alle Autorinnen und Autoren sicher sind, dass sie unter den neuen Umständen bei Zsolnay Unterschlu­pf finden und sich manche auch schon um neue Verlage bemühen.

Die Umstruktur­ierung folgt auch einem Abschied: Martina Schmidt, für viele Autorinnen und Autoren eine „literarisc­he Heimat“, wird im Oktober kommenden Jahres in den Ruhestand gehen. Ohne sie ist der Erfolg von Deuticke nicht denkbar. Schmidt war ab 1991 als Lektorin tätig, war von 2000 bis 2003 Verlagsche­fin und ist seit 2004, seit der Münchner Carl Hanser Verlag Deuticke übernahm und an Zsolnay angliedert­e, Programmle­iterin. Sie hat einen guten Riecher. Erste Werke von Daniel Kehlmann oder Dimitré Dinev brachte sie heraus. Bestseller Daniel Glattauer holte sie ins Programm. Auch im Deuticke-Programm vertreten sind Kurt Palm, die frühen Werke Walter Kappachers oder die Literatur des in Salzburg lebenden Vladimir Vertlieb.

So brachte Schmidt in den vergangene­n knapp drei Jahrzehnte­n ein Programm erfolgreic­h in die Gegenwart, bei dem in frühen Jahren unter anderem Sigmund Freuds „Traumdeutu­ng“(1900) und C. G. Jungs Erstausgab­e von „Wandlungen und Symbole der Libido“(1912) erschienen waren. Bei Schmidt „spürte man immer, dass es ihr nicht nur um Verkaufsza­hlen, sondern ebenso um die Autorinnen und Autoren und die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r ging“. Mehr noch als das Verlagshau­s habe Schmidt „als Person für uns eine literarisc­he Heimat“bedeutet, heißt es in dem Schreiben.

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BILD: SN/WWW:CORN.AT/DEUTICKE Noch einer der Autoren bei Deuticke: Kurt Palm.

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