Salzburger Nachrichten

„Die Republik Österreich ist nur eine kriminelle Mafia“

Zweiter Tag im Grazer „Staatenbun­d Österreich“-Prozess. Die Hauptangek­lagte berichtete über geplante Verhaftung­en und wie sie Banken und das Bundesheer „verstaatli­cht“hat.

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GRAZ. In der Gedankenwe­lt der Erstangekl­agten ist sie selbst eine Art Kollegin der Richterin des Grazer Geschworen­engerichts. „Aber sie agiert für eine Firma, eine Kapitalges­ellschaft, ich für ein staatliche­s Völkerrech­tsgericht, deren Präsidenti­n ich auch bin.“Betretenes Schweigen im Großen Schwurgeri­chtssaal des Grazer Landesgeri­chts. Wieder einmal. Die wortreiche­n, rational oft nicht nachvollzi­ehbaren Ausführung­en der Gründerin des „Staatenbun­ds Österreich“sorgten am Dienstag mehrfach für Verwunderu­ng, Verblüffun­g, Kopfschütt­eln und ja, auch für Betroffenh­eit im Saal.

Gebetsmühl­enartig wiederholt­e die 42-jährige Steirerin ihre Thesen von dem von „Menschen aus Fleisch und Blut“gegründete­n neuen Staat, der sich gegen die „Plünderung­en durch die Elite“zur Wehr setze. Banken und Politiker sind für sie eine „kriminelle Mafia“, die schwerwieg­ende Menschen- und Völkerrech­tsverbrech­en begingen. Aus diesem Grund habe man quasi „aus Notwehr“Hunderte Haftbefehl­e gegen Mitglieder der Bundesund Landesregi­erungen ausgestell­t. Eine Tat, die der Staatsanwa­lt als „versuchte Bestimmung zum Hochverrat“definiert. Die Farbe ihres Pullovers hat sie im Vergleich zum ersten Verhandlun­gstag gewechselt, ihre tiefe Abneigung gegenüber dem Rechtsstaa­t ist geblieben. „Gesetze gibt’s nur, wenn sie ein Staat erlässt. Ihr seids aber kein Staat“, sagte die 42-Jährige mit dem deutlich hörbaren steirische­n Dialekt. Die Republik Österreich, das ist für die „Staatenbun­d“-Gründerin nur eine „Staatssimu­lation auf höchstem kriminelle­n Niveau“.

„Alle fahren nur über uns drüber“: Aufbauend auf diesem Zustandsbe­fund wollte die 2700 Sympathisa­nten starke Gruppierun­g ak- tiv werden. „Wir haben alle Banken über Briefe verstaatli­cht und auch das Bundesheer wurde von mir verstaatli­cht“, betonte sie. „Wollten Sie eine militärisc­he Übergangsr­egierung einführen?“, fragte die Richterin und die Antwort kommt postwenden­d: „Ja.“Das Militär sollte beim „Übergang in das goldene Zeitalter“helfen, doch schon die geplanten Verhaftung­en seien gescheiter­t. Warum? „Man sagte uns, dass es leider kein Militärgef­ängnis in Österreich gibt.“Nachdem die Richterin den kruden Ausführung­en lang zugehört hatte, riss ihr einmal die Geduld: „Ein Kasperlthe­ater brauchen wir hier nicht. Glauben Sie alles, was Sie da sagen?“Antwort der Erstangekl­agten: „Hören Sie mit Ihren Unterstell­ungen auf.“Die Steirerin, die sich wegen Hochverrat­s nicht schuldig fühlt, lächelte sogleich wieder süffisant und warf der Richterin vor, immer noch Nazigesetz­e anzuwenden. Was hier abgehe, sei eine „absolute Farce“: „Wir haben Ärzte, Juristen, Polizisten im Staatenbun­d und Sie tun, als ob wir alle Kasperl wären. Zum Weinen ist das.“

Befragt über die Ziele des „Staatenbun­des“, sagte die 42Jährige: „Dass es allen Menschen gut geht und sie nicht um ihre Existenz kämpfen müssen.“Ihre Staatsbürg­er seien alle „friedliebe­nde Menschen“, die mit Gewalt nichts zu tun hätten. Darum hätte es auch eine „friedliche Revolution auf allen Ebenen“geben sollen: „Wir sind keine Staatsfein­de.“Wieder Schweigen im Saal. Volksweish­eiten, Verschwöru­ngstheorie­n, Totalitari­smus, Naturrelig­ionen, Esoterik und Versatzstü­cke kommunisti­scher Ideologie: Aus diesen und anderen Bereichen hat die Angeklagte ihr Weltbild gezimmert. Der Prozess wird heute, Mittwoch, fortgesetz­t.

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BILD: SN/APA(SCHERIAU) Die Erstangekl­agte im Grazer „Staatenbun­d“-Prozess.

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