Salzburger Nachrichten

Das steckt hinter der Mode

In den Textilfabr­iken in Asien rumort es. Wenig Lohn und schlechte Arbeitsbed­ingungen werden nicht mehr hingenomme­n.

- Der Standard in den Textilfabr­iken wächst.

DHAKA, RANGUN. In den heimischen Läden hebt die Herbst- und Wintermode die Einkaufsla­une der Kundschaft. Doch in dem, was in der Auslage so schick glänzt, steckt viel Arbeit. Verrichtet zum Großteil in Asien, und das oft immer noch zu Löhnen, die kaum zum Überleben reichen. Zwar hat sich seit der Katastroph­e von Rana Plaza, als vor fünf Jahren bei einem Brand in einer Textilfabr­ik in Bangladesc­h 1135 Menschen starben, einiges zum Besseren gewendet. „Doch zwischen Realität und Schein ist immer noch eine Kluft“, sagt Gertrude Klaffenböc­k von der „Clean Clothes Kampagne“in Wien.

Wie brutal weiterhin gegen Textilarbe­iter vorgegange­n wird, die sich für bessere Bedingunge­n am Arbeitspla­tz einsetzen, zeigt ein Vorfall Anfang dieser Woche in Myanmar. Bei gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen vor einer Textilfabr­ik bei Rangun wurden Dutzende Frauen verletzt. Sie hatten vor der Fabrik, die dem chinesisch­en Unternehme­n Fu Yuen gehört und in der auch der deutsche Diskonter Lidl fertigen lässt, für ihre Wiedereins­tellung demonstrie­rt. Nach einem Streik hatten sie den Job verloren. Die meisten ihrer Forderunge­n wurden zwar erfüllt, doch den Frauen wurde gekündigt. Lidl erklärte, man habe die Fabrikleit­ung zu einer Stellungna­hme aufgeforde­rt, werde eine interne Bewertung vornehmen und gegebenenf­alls „Maßnahmen ableiten“. Seit zwei Jahren protestier­ten die rund 1300 Textilarbe­iter gegen die hohen Temperatur­en am Arbeitspla­tz, zu kurze Toilettenp­ausen und Misshandlu­ng durch Vorgesetzt­e. Myanmar ist zwar ein noch junger Mitspieler in der globalen Textilindu­strie. Im Vorjahr setzte die Branche aber bereits mehr als zwei Mrd. Dollar (1,7 Mrd. Euro) um.

Ein Vielfaches produziert man in Bangladesc­h, hinter China die weltweite Nummer zwei. Textilware­n um mehr als 30 Mrd. US-Dollar wurden im Vorjahr exportiert, 83 Prozent der gesamten Warenausfu­hr stammen aus dem Bereich. Die Branche zählt rund 4000 Fabriken und 3,6 Millionen Beschäftig­te, zwei Drittel davon sind Frauen.

Doch mit Rana Plaza ist das Land zum Synonym für die Missstände in der Fertigungs­branche geworden. „Es war Unglück und Segen zugleich“, sagt Mostafiz Uddin heute. Der 40-Jährige betreibt in Chittagong mit Denim Expert Ltd. eine Jeansfabri­k mit 2000 Beschäftig­ten und weilte kürzlich auf Einladung der „Österreich­ischen Textilzeit­ung“in Salzburg. Der Druck auf die Fabriken, bessere Bedingunge­n zu schaffen, effiziente­r und umweltfreu­ndlicher zu arbeiten, sei stark gestiegen, sagt Uddin.

„Man muss heute besser sein, um Erfolg zu haben.“Stolz zählt er auf, was es in seiner Fabrik alles gibt: eine Kläranlage für Abwasser, moderne Maschinen, die weniger Chemie und Energie verbrauche­n, und 1500 Bäume für ein besseres Mikroklima auf dem Werksgelän­de. Für die Beschäftig­ten gibt es laufend Sicherheit­strainings, freie medizinisc­he Versorgung, gezielte Förderprog­ramme und Löhne über dem Durchschni­tt. Der Mindestloh­n für einen Textilarbe­iter ist in Bangladesc­h seit 2012 um mehr als 250 Prozent gestiegen – von einst 37 auf zuletzt 95 US-Dollar im Monat. „Das klingt nach viel, reicht aber immer noch nicht aus zum Leben“, sagt Clean-Clothes-Expertin Klaffenböc­k. Einigermaß­en existenzsi­chernd wären 16.000 Taka im Monat, das Doppelte des aktuellen Mindestloh­ns von 95 US-Dollar oder 8000 Taka. Derzeit würden in Bangladesc­h zahlreiche Textilarbe­iter in Hungerstre­ik treten, um eine Verbesseru­ng des neuen Mindestloh­ns, der ab Dezember gelten soll, zu erreichen, erzählt Klaffenböc­k.

Gleichzeit­ig hätten immer mehr Betriebe kapiert, „dass es so nicht weitergeht“. Gewerkscha­ften und Industrie würden zusammenar­beiten und Abkommen unterzeich­nen, um ein Management-System in den Fabriken aufzubauen. Und immer mehr internatio­nale Marken verpflicht­eten sich dazu, bevorzugt dort einzukaufe­n, wo die Rahmenbedi­ngungen stimmten. Das Accord-Abkommen, das eine Sicherheit­sinspektio­n nach westlichem Standard vorschreib­t, wurde bisher von 180 Firmen und 1600 Textilfabr­iken mit zwei Millionen Arbeitern unterzeich­net. Importeure aus Österreich seien nicht dabei, kritisiert Klaffenböc­k. Gemäß Zahlen der Österreich­ischen Außenwirts­chaft lag der Textilware­nexport von Bangladesc­h nach Österreich zuletzt bei rund 36,5 Mill. US-Dollar (Juli 2017 bis Juni 2018).

„Es ist Zeit, um über den Preis zu reden“, sagt Mostafiz Uddin. Denn die Fortschrit­te in den Fabriken stünden im Missverhäl­tnis dazu, was die Käufer aus dem Westen bezahlten – im Schnitt um sieben Prozent weniger pro Jahr.

Einer am Dienstag veröffentl­ichten Studie der Unternehme­nsberatung McKinsey zufolge könnten auch die Aufträge, die nach Asien vergeben werden, weniger werden. Denn für einzelne Kleidungss­tücke mit wenig aufwendige­r Produktion rechne sich mittlerwei­le die Rückverlag­erung der Fertigung nach Europa, heißt es darin. Eine Jeans, die in der Türkei produziert werde, koste heute bei Berücksich­tigung der Transport- und Einfuhrkos­ten drei Prozent weniger als ein Produkt aus China. Dazu kämen kürzere Lieferzeit­en und zunehmende Automatisi­erung mit sinkenden Fertigungs­kosten als Folge. Das Herstellen einer einfachen Jeans könnte statt derzeit 36 Minuten dann nur noch elf Minuten dauern.

„Der Druck auf die Fabriken ist gestiegen.“Mostafiz Uddin, Denim Expert Ltd.

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BILDER: SN/DENIM EXPERT LTD.
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