Populismus kann für den Bürger sehr teuer werden
Die Haushaltspolitik der Regierung in Rom bringt nicht nur Italien in Gefahr. Sie könnte zum Problem für die ganze Eurozone werden.
Dass es mit der Wirtschaft in Italien nicht zum Besten steht, ist nicht neu. Das Wachstum ist schwach, die reale Wirtschaftsleistung hat noch immer nicht das Niveau von vor der Finanzkrise 2008 erreicht. Die Arbeitslosigkeit ist zweistellig, die Jugendarbeitslosigkeit eine der höchsten in der EU und die Staatsschulden sind mit 131 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) die zweithöchsten nach Griechenland. Nachdem sich das Chaos um die Regierungsbildung im Frühjahr einigermaßen gelegt hat, haben die Budgetpläne der Regierung und verbale Attacken der Parteichefs und Vizepremiers Matteo Salvini (Lega Nord) und Luigi Di Maio (5 Sterne) gegen die EU erneut zu Turbulenzen auf dem italienischen Finanzmarkt geführt.
Der Auslöser war, dass die italienische Regierung Ende September in Brüssel einen Budgetplan vorgelegt hat, der vom vereinbarten Pfad des Stabilitäts- und Wachstumspaktes abwich. Gleichzeitig ließen Salvini und Di Maio medienwirksam heftige Drohungen gegen die EU los. Das politische Kalkül dahinter: Man attackiere im Vorfeld der EU-Parlamentswahlen die EU- Institutionen und schüre die Ressentiments gegen sie mit dem Ziel, für die eigene Partei Stimmen zu gewinnen. Basta. Das war eine gezielte Provokation. Aber das ist ein Spiel mit dem Feuer. Denn nicht der Budgetentwurf mit einem Defizit von 2,4 Prozent des BIP hat ein mittleres Erdbeben auf dem italienischen Finanzmarkt ausgelöst, sondern vielmehr die ständigen Kampfansagen, manchmal garniert mit Austrittsdrohungen von Salvini und Co. an die EU. Das macht Italien für Investoren riskant und zu einem unsicheren Partner.
Die Konsequenzen können wir an den Finanzmärkten ablesen. Die Ratingagentur Fitch hat kürzlich Italien auf BBB– herabgestuft. Es fehlt nicht mehr viel und italienische Staatsanleihen werden als spekulative Anlagen bewertet. Die Spreads, also der Risikoaufschlag zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen, sind auf mehr als 300 Basispunkte (entspricht drei Prozentpunkten) gestiegen (das Maximum waren 351 Basispunkte im Jahr 2011), allein seit Ende September um 70 Basispunkte. Bei einer Staatsverschuldung von 131 Prozent des BIP sind höhere Zinsen ein maßgeblicher Kostenfaktor für den Staatshaushalt. Aber auch die italienischen Banken, kaum der Krise 2016 entwachsen, kommen wieder unter Druck. Ihre Aktienkurse sind seit dem Frühjahr gar um mehr als 30 Prozent gefallen, allein seit dem „Budgetstreit“Ende September um 18 Prozent. Das erodiert das Eigenkapital der Banken, verschlechtert ihr Rating, erhöht ihre Finanzierungskosten und damit auch die Zinsen für ihre Kunden. Zudem schmälert es die Möglichkeiten der Banken, Kredite zu vergeben.
Politische Provokationen können für Bürger und Steuerzahler in Italien und Europa sehr teuer werden. Strahlen doch Krisen in Italien – der drittgrößten Volkswirtschaft im Euroraum – auch auf andere Mitgliedsstaaten aus.
Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonomin der Bank Austria. Heute ist sie selbstständige Beraterin. WWW.SN.AT/KAGER