„Ich bin doch gar keine Türkin“
320 Fälle von Doppelstaatsbürgerschaften prüft das Land gerade. Eine Frau versucht verzweifelt zu beweisen, dass sie gar nie Türkin war.
Hunderte Türken haben einen blauen Brief vom Land Salzburg bekommen. Sie sollen auf einer türkischen Wählerevidenzliste stehen und damit für die Wahl in der Türkei 2015 eingetragen gewesen sein. Das Land hat mittlerweile 28 Personen rechtskräftig die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt, weil sie illegal Doppelstaatsbürger sein sollen.
320 Verfahren sind noch anhängig. Und es betrifft keineswegs nur Türken, sondern auch gebürtige Österreicher. Das zumindest ist bei Cigdem Schiller der Fall. Die 31-Jährige ist in Salzburg geboren und aufgewachsen. Ihre Großeltern waren Türken. Ihre Mutter, auch Österreicherin, legte die türkische Staatsbürgerschaft 2003 zurück. Zwei der vier Kinder haben nun die Aufforderung vom Land Salzburg erhalten. Sie müssen den Nachweis erbringen, dass sie die türkische Staatsbürgerschaft nie angenommen haben. Cigdem Schiller und ihr Mann Ingo verstehen die Welt nicht mehr. „Ich bin nicht Türkin, ich bin Österreicherin. Ich spreche nur gebrochen Türkisch, mein Bruder gar nicht. Das hat auch nichts mit Integration zu tun. Ich bin schließlich hier geboren. Und fühle mich vom eigenen Land verraten“, sagt sie. Warum sie dann auf der Wählerliste stehe? Cigdem Schiller und ihr Mann zweifeln die Richtigkeit dieser Liste an. Und vermuten, dass die Daten in der Türkei nie gelöscht worden sind. Das sei erst jetzt auf ihr Drängen erfolgt.
Die Türkei kenne das Ehepaar Schiller nur vom Cluburlaub, sagen beide. Und da hätten sie für die Einreise stets ein Visum beantragt. Cigdem Schiller hat nun etliche Male das türkische Generalkonsulat in Salzburg kontaktiert, um belegen zu können, dass sie keine türkische Staatsbürgerschaft hat. „Ich mache alles, was die beim Land von mir verlangen. Aber wenn ich keine österreichische Staatsbürgerin mehr bin, bin ich staatenlos.“Ihr Mann Ingo spricht von einer „Hexenjagd“. „Niemand hilft uns. Meine Frau hatte nie einen türkischen Pass.“
Dass die Verunsicherung groß ist, bestätigt auch der türkischstämmige SPÖ-Politiker Tarik Mete. „Die Leute wissen nicht, wie es weitergeht. Viele Verfahren wurde eingeleitet, weil es da um die Großeltern geht. Die Quelle dieser berüchtigten Liste, die da im Umlauf sein soll, ist ja nicht einmal eruierbar.“
Einem Türken Mitte 60, der seit 40 Jahren in Salzburg lebt, wurde kürzlich die 1998 verliehene Staatsbürgerschaft aberkannt. Der Mann hatte mit seinem Rechtsanwalt Peter Weidisch außerordentliche Revision dagegen eingelegt. Doch der Verwaltungsgerichtshof hat diese kürzlich zurückgewiesen. Damit verliert der Mann seine österreichische Staatsbürgerschaft. Sein Anwalt kritisiert die Entscheidung als „absurd“. Sein Mandant habe die türkische Staatsbürgerschaft nicht wieder angenommen. Man habe auch versucht, das zu beweisen. Allerdings würden die türkischen Behörden das nicht schriftlich bescheinigen. Selbst seine Tochter habe versucht, eine derartige Bestätigung in der Türkei zu erhalten. Vergebens. Beim Generalkonsulat habe man auch nichts schriftlich ausgestellt. Das Urteil beruhe also darauf, dass man theoretisch davon ausgehe, dass er zwischen 2000 und 2015
„Wir kennen die Türkei nur aus dem Cluburlaub. Das ist eine Hexenjagd.“Ingo Schiller, Ehemann von Cigdem
erneut die türkische Staatsbürgerschaft erlangt habe, weil er auf dieser Liste stehe. Bewiesen sei das allerdings nicht, meint Rechtsanwalt Weidisch. „Wenn ich das Gefühl hätte, der ist ein glühender ErdoganFanatiker, dann hätte ich ihn gar nicht vertreten. Da schießt man jetzt aber mit Kanonen auf Spatzen. Das sind Dinge, die ich für grundrechtswidrig halte.“
Für die Prüfung der Doppelstaatsbürgerschaften beim Land ist Michael Bergmüller verantwortlich. Er sagt, die geltende Rechtslage sei eindeutig, wenn auch hart. Die Prüfung sei „nicht einfach und keine angenehme Arbeit, weil klar ist, was das auslösen kann“. Im Fall von Cigdem Schiller empfiehlt er einen Gesprächstermin beim zuständigen Beamten. „Wir müssen uns jeden Fall im Detail ansehen.“Ist die österreichische Staatsbürgerschaft einmal aberkannt, müssen sich die Betroffenen selbst um einen Aufenthaltstitel kümmern. Neuerlich um die Staatsbürgerschaft anzusuchen sei zwar möglich, aber „nicht so einfach“.