Wer Innovation will, muss über Widerstand jubeln können
Landauf, landab wird gejammert, wir hätten keine Innovationskultur. Das ist ein grundsätzliches Missverständnis.
In vielen Unternehmen stehen große Veränderungsschritte an: Man muss die Organisation ins digitale Zeitalter führen, neue Geschäftsmodelle erproben. Daneben muss man internationalisieren, einsparen und gleichzeitig neue Stellen schaffen, etwa für Data Scientists, die den Goldschatz der Daten heben, oder Diversity Manager, die endlich Buntheit in die meist sehr einheitliche Mannschaft bringen sollen. Manchmal schaut inmitten des bisweilen chaotischen Umbaus, mit dem viele Unternehmen beschäftigt sind, sogar eine echte Innovation heraus, die auf dem Markt Geld bringt oder, im Fall neuer interner Prozesse, im Unternehmen tatsächlich umgesetzt wird. Doch das passiert eben nur manchmal, fast als Glücksfall.
Warum das so ist? Es liegt nicht am generellen Mangel an Innovationskultur. Der Humus ist da, Ideen entstehen, es gibt zahlreiche Querdenker und Menschen, die sich über die Zukunft den Kopf zerbrechen. Vielmehr mangelt es den Innovatoren als auch den Chefs in den Unternehmen an Erfahrung mit Reibung: Wir sind nicht trainiert im Umgang mit Widerstand, wie er stets vorkommt, wenn etwas wirklich Neues entstehen soll. Zu lange wurden oben Befehle ausgegeben und diese unten, wenngleich mehr schlecht als recht, ausgeführt. In hierarchischen Organisationen, und da haben sich Unternehmen in der Vergangenheit viel vom Militär abgeschaut, geht es aalglatt zu. Da gibt es keine Toleranz für Widerständler. Wem nicht gefällt, was der Chef will, der muss früher oder später gehen. Das ist die Realität, vor allem dann, wenn es um wirklich Wichtiges geht.
Was tun also Manager, die jahrelang in einem solchen Umfeld gelebt haben, mit einem Mitarbeiter, der eine Idee ablehnt, weil er vielleicht noch eine bessere hat? Richtig, niederbügeln! So hat man es gelernt und das muss auch nicht laut schreiend erfolgen, sondern kann ganz leise getan werden: „Ihre Idee gefällt mir nicht. Wäre sie so gut, wie Sie sagen, hätte sie schon längst ein anderer umgesetzt.“Allerdings: Das Neue lebt von der Reibung und Auseinandersetzung. Es ist nie von Beginn an perfekt, sondern wird erst im Prozess zum Diamanten geschliffen, der strahlen kann. Nicht umsonst werden Start-ups darin trainiert, produktiv mit Widerstand umzugehen, etwa zu erforschen, warum Kunden ihr Produkt nicht kaufen, und es entsprechend zu verbessern.
Wer Widerstand als Ablehnung interpretiert, hat schon verloren. Im Gegenteil, wer Großes vorhat und nicht auf Widerstand stößt, muss sich fragen, was falsch läuft: Entweder ist er von lauter Jasagern umgeben oder seine Idee ist nicht so bahnbrechend, wie er dachte. Widerstand ist ein Zeichen für Vitalität. Man sollte sich darüber freuen.