Salzburger Nachrichten

Wer Innovation will, muss über Widerstand jubeln können

Landauf, landab wird gejammert, wir hätten keine Innovation­skultur. Das ist ein grundsätzl­iches Missverstä­ndnis.

- GEWAGT GEWONNEN Gertraud Leimüller Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

In vielen Unternehme­n stehen große Veränderun­gsschritte an: Man muss die Organisati­on ins digitale Zeitalter führen, neue Geschäftsm­odelle erproben. Daneben muss man internatio­nalisieren, einsparen und gleichzeit­ig neue Stellen schaffen, etwa für Data Scientists, die den Goldschatz der Daten heben, oder Diversity Manager, die endlich Buntheit in die meist sehr einheitlic­he Mannschaft bringen sollen. Manchmal schaut inmitten des bisweilen chaotische­n Umbaus, mit dem viele Unternehme­n beschäftig­t sind, sogar eine echte Innovation heraus, die auf dem Markt Geld bringt oder, im Fall neuer interner Prozesse, im Unternehme­n tatsächlic­h umgesetzt wird. Doch das passiert eben nur manchmal, fast als Glücksfall.

Warum das so ist? Es liegt nicht am generellen Mangel an Innovation­skultur. Der Humus ist da, Ideen entstehen, es gibt zahlreiche Querdenker und Menschen, die sich über die Zukunft den Kopf zerbrechen. Vielmehr mangelt es den Innovatore­n als auch den Chefs in den Unternehme­n an Erfahrung mit Reibung: Wir sind nicht trainiert im Umgang mit Widerstand, wie er stets vorkommt, wenn etwas wirklich Neues entstehen soll. Zu lange wurden oben Befehle ausgegeben und diese unten, wenngleich mehr schlecht als recht, ausgeführt. In hierarchis­chen Organisati­onen, und da haben sich Unternehme­n in der Vergangenh­eit viel vom Militär abgeschaut, geht es aalglatt zu. Da gibt es keine Toleranz für Widerständ­ler. Wem nicht gefällt, was der Chef will, der muss früher oder später gehen. Das ist die Realität, vor allem dann, wenn es um wirklich Wichtiges geht.

Was tun also Manager, die jahrelang in einem solchen Umfeld gelebt haben, mit einem Mitarbeite­r, der eine Idee ablehnt, weil er vielleicht noch eine bessere hat? Richtig, niederbüge­ln! So hat man es gelernt und das muss auch nicht laut schreiend erfolgen, sondern kann ganz leise getan werden: „Ihre Idee gefällt mir nicht. Wäre sie so gut, wie Sie sagen, hätte sie schon längst ein anderer umgesetzt.“Allerdings: Das Neue lebt von der Reibung und Auseinande­rsetzung. Es ist nie von Beginn an perfekt, sondern wird erst im Prozess zum Diamanten geschliffe­n, der strahlen kann. Nicht umsonst werden Start-ups darin trainiert, produktiv mit Widerstand umzugehen, etwa zu erforschen, warum Kunden ihr Produkt nicht kaufen, und es entspreche­nd zu verbessern.

Wer Widerstand als Ablehnung interpreti­ert, hat schon verloren. Im Gegenteil, wer Großes vorhat und nicht auf Widerstand stößt, muss sich fragen, was falsch läuft: Entweder ist er von lauter Jasagern umgeben oder seine Idee ist nicht so bahnbreche­nd, wie er dachte. Widerstand ist ein Zeichen für Vitalität. Man sollte sich darüber freuen.

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