Die Lohnlücke schließt sich in Superzeitlupe
Die finanzielle Situation der Nation lasse es leider nicht zu, allen Frauen das gleiche Entgelt für die Arbeit zu geben wie dem Mann. Mit diesen Worten erklärte der britische Premierminister Harold Wilson die ausbleibende Gleichberechtigung in Großbritannien. Wir schreiben den Oktober 1968 – nachzulesen in dieser Ausgabe auf Seite 27. Ein halbes Jahrhundert später dauert der Kampf der Frauen um gleiche Entlohnung rund um den Globus noch an. In Österreich wird am heutigen Samstag der Equal Pay Day begangen. Also der Tag, an dem Männer, statistisch berechnet, bereits das Einkommen erreicht haben, wofür Frauen noch bis Jahresende arbeiten müssen. Frauen haben also im Schnitt 10.172 Euro weniger auf dem Konto. Die gute Nachricht: Im vergangenen Jahr war der Tag noch eine Woche früher, also am 13. Oktober. Statt heuer 73 mussten Frauen im Vorjahr also noch 80 Tage „gratis“arbeiten. Die schlechte Nachricht: Die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen sind immer noch enorm. Die Lohnlücke liegt – vergleicht man nur die Vollzeitbeschäftigung – bei 20 Prozent. Und sie schließt sich in Superzeitlupe.
Die eine Hälfte dieser Lücke ist zumindest erklärbar: Frauen übernehmen mehr Aufgaben in der Kinderbetreuung, bleiben länger zu Hause, arbeiten öfter Teilzeit und häufiger in Branchen mit schlechterer Entlohnung. Für die andere Hälfte hat die Statistik allerdings keine rationale Erklärung parat. Bleibt der Schluss: Frauen verdienen weniger, weil sie Frauen sind. Weil sie systematisch diskriminiert werden, an gläserne Decken stoßen und als „soziale Airbags“funktionieren, die von Kinderbetreuung bis Pflege das meiste auffangen.
Ob erklärbar oder nicht: Beide Hälften müssen weg. Wege dorthin sind bekannt: Mehr Kinderbetreuung, mehr Frauenförderung, mehr Väterkarenz. Frauenquoten würden auch nicht schaden. Und es braucht ein Bewusstsein dafür: Die Gehaltsschere entsteht schon in den Köpfen. Schließen wir sie. Damit Frauen in 50 Jahren nicht mehr klagen müssen, und der Equal Pay Day endet, wenn das Silvesterfeuerwerk beginnt.