Salzburger Nachrichten

Eine Störaktion für Südtirol

Wiens Vorschlag einer doppelten Staatsbürg­erschaft für Südtiroler stößt in Italien auf eindeutige Ablehnung, hat aber den Wahlkampf in der mehrsprach­igen Region angeheizt.

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Dass der Nationalis­t Matteo Salvini, der mehr auf öffentlich­en Plätzen als in seinem römischen Innenminis­ter-Büro anzutreffe­n ist, sogar beim Fest der Kastelruth­er Spatzen auftritt, ist kurios. Es ist für die heimatbewu­ssten Südtiroler noch sehr gewöhnungs­bedürftig. Aber der raubeinige Populist tut alles, damit seine antieuropä­ische, rechtsauße­n angesiedel­te Lega bei der Landtagswa­hl morgen, Sonntag, auch hier einen Fuß auf die Erde bekommt.

Mit Salvini verbinde ihn „eine aufrichtig­e Freundscha­ft“, sagt Österreich­s Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, der FPÖ-Vorsitzend­e, der als Helfer für die Freiheitli­chen an Etsch und Eisack gekommen ist. Allerdings bei speziellen Themen wie der „Schnapside­e“(Reinhold Messner) der Wiener ÖVP/FPÖKoaliti­onäre, den deutsch- und ladinischs­prachigen Südtiroler­n zusätzlich eine österreich­ische Staatsbürg­erschaft anzudienen, kann von Freundscha­ft keine Rede sein.

Damit möglichst viele der 424.184 Stimmberec­htigten, die zwischen vierzehn Listen mit insgesamt 420 Kandidaten zu wählen haben, ihr Kreuzchen bei seinen Freunden von der Südtiroler Volksparte­i (SVP) machen, ist auch Sebastian Kurz zum Wahlkampfa­uftakt nach Bozen gekommen. Der Bundeskanz­ler hat einerseits seinen Koalitions­vertrag, anderersei­ts die – wegen Meinungsve­rschiedenh­eiten in der Migrations­politik nicht einfachen – Beziehunge­n mit Rom vor Augen. So wiederholt er immer wieder, nicht ohne Italien, nicht einseitig werde der Doppelpass für Südtiroler eingeführt.

Dass so auf absehbare Zeit daraus nichts werden kann, wird nicht laut gesagt. Denn in Italien wird das österreich­ische Vorhaben als Provokatio­n oder einfach nur achselzuck­end abgelehnt. Bereits im September hat der moderate Außenminis­ter Enzo Moavero Milanesi, ein gewandter Diplomat, eine Einladung seiner Kollegin Karin Kneissl nach Wien wegen der Doppelpass­Pläne abgelehnt. Es sei bedauerlic­h, so eine Erklärung des Außenminis­teriums, dass gerade im Gedenkjahr 100 Jahres nach dem Ersten Weltkrieg, in dem das Blut vieler Italiener und Österreich­er vergossen worden sei, die Initiative Gefahr laufe, „den Charakter eines anachronis­tischen Revanchism­us anzunehmen“. Selbst Strache tritt jetzt leise: Man werde sich „in aller Ruhe im nächsten Jahr“einmal mit Italiens Regierung zusammense­tzen und ein Einvernehm­en suchen, sagt er. Der Doppelpass sei zwar „ein Herzenswun­sch für viele“, und man werde an dem Vorhaben festhalten. Aber „das Thema hat jetzt nicht oberste Priorität“.

Bei dieser offenen Sachlage bot es sich geradezu an, das Thema im Wahlkampf zu instrument­alisieren. Während die italienisc­hen Gruppen in ihrem zersplitte­rten Parteiensp­ektrum mit kräftigen und gereizten Worten Aufmerksam­keit für sich suchten, fühlten sich die deutschspr­achigen Parteien am rechten Rand beflügelt. Für die SüdTiroler Freiheit um Eva Klotz ist „ein historisch­es Zeitfenste­r“aufgegange­n, um die Autonomie zu überwinden und letztlich zur Selbstbest­immung zu gelangen, also los von Rom.

Neben der italienisc­hen auch eine österreich­ische Staatsbürg­erschaft fordert die SVP schon seit vielen Jahren. Das solle etwas Verbindend­es und nichts Trennendes sein, versichert Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r. Es solle ein Doppelpass sein, der „im europäisch­en Geiste“festgelegt werde. Daraus spricht keine Begeisteru­ng für das Projekt, in dem nicht wenige auch eine Gefährdung für das zwischen den Volksgrupp­en mühsam erreichte Gleichgewi­cht sehen.

Im wenig spannenden Wahlkampf hat der Doppelpass keine herausgeho­bene Rolle gespielt. Auch deshalb, weil die meisten Südtiroler ganz andere Probleme sehen – etwa Mieten, Lebenshalt­ungskosten, Verkehr und Sicherheit.

Beobachter erwarten, dass Kompatsche­r selbst bei einer Schwächung der SVP weiterregi­eren kann. Aber mit welcher von der Verfassung vorgeschri­ebenen italienisc­hen Gruppierun­g? Die Partito Democratic­o (PD) wird möglicherw­eise ihre mehrheitsb­ildende Kraft einbüßen. Was ist, wenn dann die Lega als Partner zur Verfügung stünde? Das würde heftige Diskussion­en in der SVP auslösen.

Und wo bleibt der europäisch­e Geist?

 ?? BILD: SN/JOHANN GRODER/ EXPA/PICTUREDES­K.COM ?? Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r (SVP) muss konstatier­en, dass auch Italiens Rechtspopu­listen von der Lega in Südtirols Wahlkampf mitmischen. Gewählt wird am Sonntag auch nebenan im Trentino.
BILD: SN/JOHANN GRODER/ EXPA/PICTUREDES­K.COM Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r (SVP) muss konstatier­en, dass auch Italiens Rechtspopu­listen von der Lega in Südtirols Wahlkampf mitmischen. Gewählt wird am Sonntag auch nebenan im Trentino.

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