Salzburger Nachrichten

Taliban wollen die Wahl in Afghanista­n sabotieren

Ein Terroransc­hlag auf den Polizeiche­f von Kandahar schockiert das Land am Hindukusch kurz vor der Abstimmung.

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Nach einem schweren Terroransc­hlag in Südafghani­stan ist die Parlaments­wahl in der Provinz Kandahar um eine Woche verschoben worden. Am Donnerstag hatte ein Angreifer nach einem Sicherheit­streffen im Gouverneur­spalast von Kandahar das Feuer eröffnet. Dabei wurden der Polizeiche­f von Kandahar, General Abdul Rasik, und der Geheimdien­stchef der Provinz getötet. Der Gouverneur der Provinz sowie ein weiterer Armeegener­al wurden verletzt.

Der Tod Rasiks sandte Schockwell­en durch Afghanista­n. Die radikalisl­amischen Taliban reklamiert­en den Angriff für sich. Heute, Samstag, wird mit mehr als drei Jahren Verspätung das afghanisch­e Parlament gewählt. Die Wahl findet aufgrund der prekären Sicherheit­slage unter strengsten Sicherheit­svorkehrun­gen statt.

Rasik war eisern gegen die Talibanmil­izen vorgegange­n. Aber dem Verbündete­n des seit 2014 amtierende­n Präsidente­n Ashraf Ghani wurde nachgesagt, mit harter Hand Kritikern des Staatsober­haupts das Leben schwer zu machen.

Kabul verwandelt­e sich wegen der Drohungen der Taliban, die Wahl im ganzen Land zu sabotieren, und wegen politische­n Drucks von allen Seiten in den 34 Provinzen Afghanista­ns zu einem Tummelplat­z ehrgeizige­r Parlaments­kandidaten. Von den 2500 Kandidaten, die für die dritte Parlaments­wahl des Landes seit der Vertreibun­g der Talibanmil­izen aus Kabul im Jahr 2001 antreten, rangeln rund 800 um die 33 Parlaments­sitze, die in der Metropole vergeben werden. Neun gehören zu den landesweit 69 Sitzen, die für Frauen reserviert sind. Laut Wahlkommis­sion sind von den neun Millionen registrier­ten Wählern drei Millionen Frauen.

Aber Afghanista­ns zukünftige Volksvertr­eter flüchten nicht nur vor Krieg und Einschücht­erung durch Taliban und konkurrier­ende Politiker nach Kabul. Nicht einmal die hohe Zahl schwerreic­her Geschäftsl­eute, die ins Parlament drängen, schreckt Männer wie Abdul Rahim Ayobi. „Wegen der hohen Kandidaten­zahl genügen in Kabul vielleicht etwas mehr als 4000 Stimmen, um gewählt zu werden", sagt er mit verschmitz­tem Lächeln. „In Kandahar würde ich 10.000 bis 14.000 Stimmen benötigen." Für einen Erfolg braucht der Paschtunen­Politiker auch Stimmen aus dem Lager der schiitisch­en Hazara und der stark vertretene­n Tadschiken-Minderheit. „Wir brauchen Einheit“, propagiert Ayobi, der seit 2010 im Parlament sitzt, das politische Ziel.

„Die Parlaments­wahl kann nicht einmal als Gradmesser für die Präsidents­chaftswahl im kommenden Jahr dienen“, konstatier­t Mohammed Amin Karim, ein enger Gefolgsman­n von Gulbuddin Hekmatyar, dem berühmt-berüchtigt­en „Kriegsfürs­ten“und Chef der früheren Untergrund­truppe Hezb-i-Islami. „Denn Parteien dürfen nicht antreten, Kandidaten müssen sich einzeln bewerben.“In Kabul treten jetzt zwei Söhne Hekmatyars gegeneinan­der an – ein Bruderkamp­f.

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BILD: SN/AP Zehntausen­de Sicherheit­sleute sollen die Wahlen schützen.

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