Wurden Patienten zu Tode „gepflegt“?
Im Clementinum bei Kirchstetten in Niederösterreich sollen schwer demenzkranke Patienten grausam misshandelt worden sein. Sogar Todesfälle sollen daraus resultieren. Warum über die verdächtigen Pfleger kein Berufsverbot verhängt wurde.
Auf einer Station des Pflegeheims Clementinum im niederösterreichischen Kirchstetten sollen über Jahre schwer demenzkranke und bettlägerige Patienten auf das Übelste misshandelt und gequält worden sein. Da es im Zuge der „Behandlungen“auch zu Todesfällen gekommen sein dürfte, hat die Staatsanwaltschaft St. Pölten nun neuerlich die Exhumierung von verstorbenen Patienten angeordnet. Denn laut einem kürzlich veröffentlichten Gutachten hatte man 2015 und 2016 zwei Frauen blutdrucksenkende und somit entwässernde Medikamente verabreicht, die den Kreislauf schwächen. Laut den Sachverständigen könnte die Wirkung „den Todeseintritt erheblich begünstigt haben“. Seitens der Anklagebehörde wurde betont, dass noch erhoben werden müsse, ob die Arznei verordnet wurde bzw. ob diese verordnungspflichtig war und welche Menge verabreicht wurde. Die medizinische Dokumentation habe aber Mängel aufgewiesen.
Offenbar vermuten die Ermittler nun, dass es weitere Opfer geben könnte. Von einem Tötungsdelikt geht die Staatsanwaltschaft aber vorerst nicht aus. Es werde primär wegen des Verdachts des Quälens von wehrlosen Personen und in Folge wegen des Verdachts der Körperverletzung ermittelt.
In Kürze werden also weitere neun Leichen teilweise exhumiert, um Proben zu ziehen, die anschließend toxikologisch untersucht werden. Dies könne sich, so Karl Wurzer, Sprecher der Staatsanwaltschaft St. Pölten, über Monate hinziehen. Ein Ergebnis ist erst im Laufe des Jahres 2019 zu erwarten. Die fünf Verdächtigen, die die Vorwürfe stets zurückgewiesen haben, dürfen theoretisch weiter als Pfleger arbeiten. Ein Berufsverbot könne erst nach einer möglichen Verurteilung verhängt werden, sagte Wurzer.
Wie grausam die Pfleger mit wehrlosen Menschen umgegangen sein sollen, hatte der „Falter“bereits im Herbst 2017 berichtet. Damals waren der Wochenzeitung interne Informationen aus Kirchstetten zugespielt worden. Darin berichteten Mitarbeiter, dass Pfleger den Patienten Faustschläge versetzten, deren Genitalien mit Franzbranntwein verätzten sowie ihnen Kot ins Gesicht schmierten. Einem Mann, der mit Magensonde ernährt worden war, wurde – quasi zur Begrüßung – in den Bauch geschlagen. Einem anderen wurde Haarspray in Mund und Augen gesprüht.
Die Patienten seien während der Misshandlungen von den Pflegern zusätzlich ordinär beschimpft worden. In eigenen WhatsApp-Gruppen hätten sich die Pfleger untereinander gebrüstet, wie brutal vorgegangen seien.
Nach anfänglichen Äußerungen von Pflegern aus anderen Stockwerken, die erschüttert waren von den entsetzlichen Zuständen auf der betreffenden Station, gewährte schließlich auch die Heimleitung der Wochenzeitung Akteneinsicht.
Aufregung herrschte – ebenfalls im Herbst 2017 – um zwei in der Causa zunächst festgenommene, nach der Vernahme aber wieder enthaftete Verdächtige. Sie wurden von einem Wiener Heim, in dem sie trotz des laufenden Verfahrens tätig waren, entlassen. Die beiden mussten anschließend geloben, bis zum Ende des Verfahrens nicht mehr im Pflegebereich tätig zu sein. sie