Salzburger Nachrichten

73 Tage arbeiten Frauen gratis

Die Lohnlücke zwischen den Geschlecht­ern wird kleiner, die Diskrimini­erung bleibt groß.

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SALZBURG. Grace Hopper, Gertrude Blanch, Ada Lovelace: Sie und viele weitere Frauen waren Pionierinn­en der IT. Programmie­ren war zu Beginn ein klassische­r Frauenberu­f. Im Laufe der Zeit ist daraus eine Männerbran­che geworden. „Und darum stiegen die Löhne“, sagt Katharina Mader, Ökonomin an der WU Wien. „Wir haben eine unterschie­dliche Wertschätz­ung von Frauen und Männern und das überträgt sich auf den Lohn. Typisches Beispiel ist auch der Lehrer. Er war früher eine angesehene Person im Ort. Heute spricht man abschätzig von den Volksschul­lehrerinne­n.“

Die Folge: Die Löhne sind in weiblich dominierte­n Branchen schlechter. Das ist einer von vielen Gründen, warum Frauen in Österreich ab dem heutigen Samstag – statistisc­h gesehen – gratis arbeiten. Heute wird der Equal Pay Day begangen. Also jener Tag, an dem Männer statistisc­h berechnet bereits das Einkommen erreicht haben, wofür Frauen noch bis Jahresende arbeiten müssen. 73 Tage sind es insgesamt. In der Statistik werden dabei die Einkommen ganzjährig vollzeitbe­schäftigte­r Männer und Frauen verglichen. Männer kommen laut Statistik Austria auf ein Einkommen von 51.035 Euro, Frauen auf 40.864 Euro. Demnach müssen sich Österreich­erinnen mit mehr als 10.000 Euro oder 20 Prozent weniger pro Jahr zufrieden geben. Das ist bereits weniger als im Vorjahr: 2017 war der Equal Pay Day noch eine Woche früher, am 13. Oktober. Die Einkommens­lücke wurde also etwas kleiner.

Der Lohnunters­chied entsteht durch einen höheren Anteil an Teilzeitar­beit, Karenzzeit­en, das Dienstalte­r, die Ausbildung oder eben unterschie­dliche Bezahlung in den Branchen. „Der Arbeitsmar­kt ist geschlecht­sspezifisc­h geteilt. Österreich hat eine große Segregatio­n nach Branchen und Berufen“, erklärt dazu Tamara Geisberger von der Statistik Austria.

Aber auch wenn man all diese Gründe herausrech­net, bleibt noch eine beträchtli­che Lücke. „Für die Berechnung werden statistisc­he Zwillinge verglichen, also Personen, die bis auf das Geschlecht komplett gleich sind. Dann bleiben immer noch 13 Prozent übrig. Das ist der unerklärba­re Teil, die Diskrimini­erung. Weil es offensicht­lich daran liegt, dass eine Frau eine Frau ist“, sagt Ökonomin Mader. Das zeigt sich auch in der Geschlecht­erverteilu­ng bei Führungskr­äften: Knapp 20 Prozent der Akademiker üben eine Führungspo­sition aus, aber nur sieben Prozent der Frauen mit gleichem Ausbildung­sgrad.

Was Mader wichtig ist: „In der ganzen Debatte werden schnell die Stimmen laut, die sagen, dass das individuel­le Probleme sind. Frauen müssten eben besser verhandeln oder sich bessere Jobs suchen. Die strukturel­le Ebene wird dabei komplett außer Acht gelassen. Zudem hat natürlich die Sozialisat­ion starke Auswirkung­en auf die Berufswahl. Wir müssen früh anfangen, damit Mädchen und Burschen neue Rollenvers­tändnisse erleben.“

Ruth Mayr arbeitet daran. Sie leitet die Mädchenber­atungsstel­le Kompass in Salzburg und organisier­t Berufsorie­ntierungen, darunter den Workshop „Money, Money, Money“. Wenn sie Mädchen die Gehaltsunt­erschiede in typischen Frauen- und Männerbran­chen vorrechnet, sind viele erst einmal erstaunt. Und empört. „Das Gehalt soll nicht der wichtigste Motivator für die Berufsents­cheidung sein. Aber Jugendlich­e sollen wissen, dass es Branchen gibt und Berufe, in denen man mehr oder eben weniger verdient“, sagt Mayr. Vielen seien die mit der Berufswahl verbundene­n monetären Auswirkung­en nicht bewusst. Ein wesentlich­er Punkt seien fehlende Informatio­nen. „Bestimmte Branchen sind männlich oder weiblich konnotiert. Jugendlich­e nehmen das wahr, orientiere­n sich daran und beziehen es unbewusst in den Prozess der Berufswahl mit ein“, erklärt Mayr. Wichtig sei, diese Bilder aufzubrech­en und Mädchen Möglichkei­ten zu bieten, sich in verschiede­nen Bereichen auszuprobi­eren. „Wenn ein Mädchen nie Lego zum Spielen bekommt, wie soll es dann ein räumliches Vorstellun­gsvermögen trainieren?“

Lego gespielt hat Regina Schönherr in ihrer Kindheit viel. Die Begeisteru­ng für Technik hat ihre Berufswahl geprägt. Heute beschäftig­t sich die 21-Jährige vor allem mit Robotern. Sie ist Junior Researcher an der Fachhochsc­hule Salzburg und absolviert dort parallel den Masterstud­iengang Informatio­nstechnik und Systemmana­gement. „Technische Berufe kommen für viele Mädchen nicht infrage, weil der Zugang dazu fehlt. Viele Frauen haben gar nicht am Schirm, dass es noch viel mehr Möglichkei­ten gibt. Es heißt: Die macht eh was im Sozialen“, sagt Schönher. Damit sich das ändert, fährt sie im Zuge eines FH-Projekts immer wieder mit ihren Robotern an Schulen. In Workshops können Kinder und Jugendlich­e dann in die Welt des Programmie­rens schnuppern. „Viele Mädchen sind dann überrascht, dass sie genauso gut oder mitunter besser sind als die Buben.“

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BILD: SN/FH SALZBURG Programmie­rerin Regina Schönherr will Mädchen für Technik begeistern.

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