Im Dreißigjährigen Krieg wandelte sich Salzburg vom Mittelalter zu barocker Pracht.
Hätten die Salzburger Salzburg gebaut, wäre bestenfalls ein Linz daraus geworden“, schrieb vor 120 Jahren die österreichische Spottdrossel Karl Kraus. Das erwies sich als Glücksfall. Das Salzburger Domkapitel genoss nämlich das ungewöhnliche Privileg, den Erzbischof und Landesherrn zu wählen und nicht eine Entscheidung Roms abwarten zu müssen. Also regierten nach dem Tod des Lungauer Kardinals und Landesherren Burkhard von Weißpriach 1466 bis zum Ende des souveränen „Kirchenstaats“1803 „Ausländer“Salzburg. Und diese Herren brachten neue Ideen und Architekten mit, die der Stadt das einzigartige Profil gaben. Eine besonders glückliche Hand hatte das Domkapitel 1619 mit der Wahl des Welschtirolers Paris Lodron (Bild rechts), der das Land mit diplomatischem Geschick aus dem Dreißigjährigen Krieg heraushielt, dem im benachbarten Bayern fast die Hälfte der Bevölkerung zum Opfer gefallen ist. Paris Lodron setzte auch die von seinem Vorarlberger Vorgänger Markus Sittikus begonnene Umgestaltung der engen deutschen Stadt in eine prächtige italienische Stadt fort. Und diese Arbeit leistete der italienische Architekt Santino Solari, den Markus Sittikus 1614 nach Salzburg berufen hatte, damit er den barocken Dom baue. Paris Lodron nahm zuerst den Ausbau Salzburgs zu einer uneinnehmbaren Festungsstadt in Angriff, damit weitere Pläne nicht vom Dreißigjährigen Krieg durchkreuzt würden. Und dafür stand ihm Santino Solari zur Verfügung, der den modernen venezianischen Festungsbau in Salzburg anwandte: Verwinkelte Wehranlagen, die einem Angreifer keinen „toten Winkel“bieten und ihn dem Beschuss von drei Seiten aussetzen. Dieses strategische Konzept entwertete die vordem üblichen geraden Wehrmauern, von denen nur noch die Bürgerwehr auf dem Mönchsberg und die alte Stadtmauer entlang der Paris-Lodron-Straße erhalten blieben.
Als wichtigste Aufgabe sah Paris Lodron die Sicherung der strategischen Schwachstellen der Festung und des Mönchsbergs an. Drei übereinander angelegte Bastionen schützten nun die strategisch gefährdete Ostflanke der Festung. Die strategischen Schwachstellen des Mönchsbergs schloss Solari mit dem Wall um das später gebohrte Bürgermeisterloch, durch die Befestigung nördlich des Neutors und durch drei Bastionen an der Müllner Schanze. Die Ringmauer um den Kapuzinerberg ließ Paris Lodron ausbessern, ergänzen und verstärken. Die größte Wehranlage zum Schutz der Neustadt zog sich vom Stadttor am Ende der Linzer Gasse entlang der Franz-Josef-Straße zum Zwerglgarten, dem letzten Rest dieser Befestigung.
In der Augustinergasse erinnert eine lateinische Inschrift an der Mönchsbergwand daran, dass hier der Mönchsberg „skarpiert“, also der Fels senkrecht abgeschnitten wurde. Und das Bruchmaterial wurde über die Salzach zum Bau der Wälle in der Neustadt transportiert. Damals bestand nur die Staatsbrücke und den Transport besorgten Fuhrwerke.
Auch die Festung wurde modernisiert – durch den Anbau der Hasengrabenbastei rings um den Reckturm (Aussichtsplattform) an der Westseite der Festung. Ein halbes Jahrhundert später folgte die nach Fürsterzbischof Kuenburg benannte Bastei zwischen Keutschachbogen (Kasse) und Bürgermeistertor an der Nordseite der Festung.
Diese Anlagen dienten der Artillerie als Plattformen. Von hier aus konnte jeder Angreifer wirksam unter Feuer gehalten werden. Obschon damals Kanonen bis auf zirka 600 Meter Distanz ziemlich treffsicher waren, taugten sie wenig für „Steilfeuer“zum Beschuss von Bastionen zirka 130 Meter über Tal. Umso leichter tat sich aber das Feuer talwärts mit „Kanonenkugeln“, die ein Gemisch von Pulver und Metallstücken enthielten. Der Schuss brannte eine Zündschnur an, die dann im Ziel die Explosion der „Ladung“auslöste und vor allem unter den Angreifern böse Verletzungen verursachte. Paris Lodron gebot über genügend Soldaten zur Verteidigung der Stadt. Sie schossen mit Vorderladern, die aber nach jedem Schuss auskühlen mussten. Deshalb luden „Helfer“mehrere Gewehre, damit der Schütze nicht untätig herumstand. Die Festungsstadt Salzburg wurde damals nie belagert. Die Feldherren mussten nämlich ihre Soldaten bezahlen – aus der eroberten Beute. Eine lange Belagerung war somit eine kostspielige Lotterie. In diese sichere Festungsstadt schickte Bayern seinen Staatsschatz und die Madonna von Altötting überdauerte den Dreißigjährigen Krieg ebenfalls in Salzburg. Paris Lodron vollendete Solaris Dom, den er 1628 nach 14 Jahren Bauzeit in einem einwöchigen Domfest einweihte. Zeitzeugen rühmten dieses Fest als ebenso großartig wie großzügig. Und 1622 gründete Paris Lodron die Universität, während in Mitteleuropa der Krieg tobte.
Salzburg finanzierte alle diese Bauten mit horrenden Steuern und teilweise auch mit dem Salz aus Hallein, dessen Vermarktung allerdings davon abhing, dass in diversen Landstrichen gerade nicht Krieg herrschte.
Insgesamt war Salzburg nach dem Dreißigjährigen Krieg schöner – man bedenke nur, dass für den Dombau 70 Häuser aufgekauft und abgetragen wurden, damit der Dom mitten in vier Plätzen besonders eindrucksvoll zur Geltung käme. Doch das Volk lebte noch ärmer als zuvor. Fromme Stiftungen und christliche Orden versuchten nach Kräften, das Elend im Zaum zu halten. Immerhin: Die Salzburger überlebten den Dreißigjährigen Krieg, wenngleich in erbärmlichen Wohnungen und noch ohne jene soziale und medizinische Betreuung, die wir heute als selbstverständlich schätzen. Wenig überraschend lag die Lebenserwartung bei knapp 40 Jahren.
Zwei Jahrhunderte später endete der souveräne Kirchenstaat Salzburg in den napoleonischen Wirren. Salzburg fiel an Bayern und 1816 als „Bezirk“an Oberösterreich – mit dem „Bezirkshauptort“Salzburg. Die Universität wurde geschlossen, das Verwaltungspersonal des regierenden Erzbischofs – rund ein Drittel der Stadtbewohner – saß arbeitslos auf der Straße, wenn es nicht ausgewandert war. Franz Schubert schrieb 1825 seinem Bruder in Wien, dass Salzburg von „unaussprechlicher Schönheit“, aber so wenig gepflegt sei, dass auf den Plätzen der Stadt Gras wachse.
Wir haben eine Stadt geerbt, die der weit gereiste Wissenschafter Alexander von Humboldt mit Konstantinopel und Neapel zu den drei schönsten Gegenden der Welt erklärte. Das ist allerdings ein kleiner Trost, denn Humboldt kannte Konstantinopel nur vom Hörensagen. .