Friede den Hütten
Hüttenwirt trifft Spitzenkoch. Sepp Forcher über den großen Wert der kleinen Dinge.
Sepp Forcher hat ein Buch geschrieben. Als Titel wählte er Das Salz in der Suppe – Vom großen Wert der kleinen Dinge. Es liest sich großartig. Jetzt sitzen wir gemeinsam im Gastgarten des Fischerwirts. Forcher blinzelt in die Sonne und sagt: „Über das Salz in der Suppe macht man sich erst Gedanken, wenn sie versalzen ist. Das ist ein kleines Ärgernis. Jedoch eine Suppe ohne Salz? Das gibt genug Stoff für eine kleine Tragödie.“Von so einer kleinen Tragödie erzählt er auch im Kapitel „Das vergessene Salz“. Da habe ihn seine Frau, die Helli, vom Berglandhaus in Großarl mit einem Einkaufszettel runter ins Tal zum Dorfkramer geschickt. Mehr als zwei Stunden schleppte er die Lebensmittel dann hinauf, um oben festzustellen, dass sie auf das Salz vergessen hatten. „Also eine Stunde hinunter und im Eiltempo wieder zwei Stunden bergauf. So lernte unsereiner die kostbaren weißen Kristalle schätzen“, erinnert er sich mit einem sanften Lächeln. Im Gastgarten wird es schön langsam spätsommerlich heiß. „Was für ein schöner Altweibersommer“, sagt Forcher und zuckt gleich darauf erschrocken zusammen. „Darf man das heute überhaupt noch sagen“, flüstert er mit einem Augenzwinkern. Wir blättern in seinem Buch. Die Geschichten, die Forcher erzählt, wirken wie aus der Zeit gefallen. 51 Kapitel lang nimmt er seine Leser bei der Hand und lässt sie an seinen wichtigsten kulinarischen Erlebnissen teilhaben. Vom Bergsteigeressen und Teewasser bis zum Genuss von Austern und Champagner während des Mauerfalls in Berlin. Sepp Forcher erinnert beim Essen an A. J. Liebling (1904–1963), den legendären Gourmet-Schreiber des „New Yorker“. Dieser meinte: „Ein kluger Mensch frisst sich immer von unten nach oben.“
Um den Durst zu stillen, bestellt Forcher beim Ober Daniel einen Pfiff Bier und einen Schnaps. „Das hat mir ein Jäger vor langer Zeit geraten. Weil man der Trinkwasserqualität in der Natur nicht immer trauen kann“, erklärt er. Wir kosten, nippen und trinken die Gläser aus. Stimmt. Der Durst ist weg. „Jetzt können wir in Ruhe Wein trinken“, sagt Forcher. Dann erzählt er von seinem Wirtsleben, das eine lebenslange Mischung aus Anstrengung und Unbeschwertheit gewesen war. Und auch wenn es nicht frei von Schicksalsschlägen war, so sei ihm doch immer wieder die Liebe zu seiner Frau Helli und seine unbändige Kraft zugutegekommen. Schon als Baraber war er es gewohnt, bis zu 80 Kilogramm schwere Mehlsäcke auf die Berge zu schleppen. Einmal habe er sogar einen 120 Kilogramm schweren Küchenherd geschultert und einer Hüttenwirtin gebracht.
Berührend ist auch das Kapitel „Der Freund“, das von Karl Eschlböck handelt. Forcher kehrte schon als junger Mann gern bei der alten Plombergwirtin ein. So blieb ihm dann auch nicht die Entwicklung dieses Landgasthofs zum Gourmettempel unter der Leitung von Eschlböck verborgen. „Sein makelloser Charakter blieb trotz aller Rückschläge bis heute unbeschädigt“, erinnert sich Forcher. Einmal hat Eschlböck die Forchers in Hellis Küche mit Kalbsgulasch bekocht (das Rezept finden Sie rechts). Forcher: „Auf die kurze Frage, wie ich ihm helfen könne, antwortete Karl kurz und bündig: ,Indem du mich in Ruhe lässt‘.“Seine Helli lobte er dagegen in höchsten Tönen, weil er sich in ihrer Küche auch mit zugebundenen Augen zurechtgefunden hätte.
Das letzte Wort wollen wir heute aber Helli Forcher überlassen. Sie erinnert sich daran, als ihr Sepp einmal in jungen Jahren ihre Tiroler Knödel mit folgenden Worten lobte: „Das hast du sehr, sehr gut gemacht. Aber die Tiroler Knödel meiner Mutter sind das nicht. – Ich bin damals wortlos aufgestanden, habe seinen Teller mit den Knödeln genommen und vor seinen Augen in den Mistkübel geleert. Da hat er wohl zum ersten Mal begriffen, dass er einen ebenbürtigen Partner für den gemeinsamen Lebensweg gefunden hat.“Man könnte auch sagen: Mit Helli hat Sepp die Würze seines Lebens gefunden. Davon profitiert auch der Leser. Denn Helli fügte den Kapiteln 20 Lieblingsrezepte hinzu.