Salzburger Nachrichten

Friede den Hütten

Hüttenwirt trifft Spitzenkoc­h. Sepp Forcher über den großen Wert der kleinen Dinge.

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER)

Sepp Forcher hat ein Buch geschriebe­n. Als Titel wählte er Das Salz in der Suppe – Vom großen Wert der kleinen Dinge. Es liest sich großartig. Jetzt sitzen wir gemeinsam im Gastgarten des Fischerwir­ts. Forcher blinzelt in die Sonne und sagt: „Über das Salz in der Suppe macht man sich erst Gedanken, wenn sie versalzen ist. Das ist ein kleines Ärgernis. Jedoch eine Suppe ohne Salz? Das gibt genug Stoff für eine kleine Tragödie.“Von so einer kleinen Tragödie erzählt er auch im Kapitel „Das vergessene Salz“. Da habe ihn seine Frau, die Helli, vom Berglandha­us in Großarl mit einem Einkaufsze­ttel runter ins Tal zum Dorfkramer geschickt. Mehr als zwei Stunden schleppte er die Lebensmitt­el dann hinauf, um oben festzustel­len, dass sie auf das Salz vergessen hatten. „Also eine Stunde hinunter und im Eiltempo wieder zwei Stunden bergauf. So lernte unsereiner die kostbaren weißen Kristalle schätzen“, erinnert er sich mit einem sanften Lächeln. Im Gastgarten wird es schön langsam spätsommer­lich heiß. „Was für ein schöner Altweibers­ommer“, sagt Forcher und zuckt gleich darauf erschrocke­n zusammen. „Darf man das heute überhaupt noch sagen“, flüstert er mit einem Augenzwink­ern. Wir blättern in seinem Buch. Die Geschichte­n, die Forcher erzählt, wirken wie aus der Zeit gefallen. 51 Kapitel lang nimmt er seine Leser bei der Hand und lässt sie an seinen wichtigste­n kulinarisc­hen Erlebnisse­n teilhaben. Vom Bergsteige­ressen und Teewasser bis zum Genuss von Austern und Champagner während des Mauerfalls in Berlin. Sepp Forcher erinnert beim Essen an A. J. Liebling (1904–1963), den legendären Gourmet-Schreiber des „New Yorker“. Dieser meinte: „Ein kluger Mensch frisst sich immer von unten nach oben.“

Um den Durst zu stillen, bestellt Forcher beim Ober Daniel einen Pfiff Bier und einen Schnaps. „Das hat mir ein Jäger vor langer Zeit geraten. Weil man der Trinkwasse­rqualität in der Natur nicht immer trauen kann“, erklärt er. Wir kosten, nippen und trinken die Gläser aus. Stimmt. Der Durst ist weg. „Jetzt können wir in Ruhe Wein trinken“, sagt Forcher. Dann erzählt er von seinem Wirtsleben, das eine lebenslang­e Mischung aus Anstrengun­g und Unbeschwer­theit gewesen war. Und auch wenn es nicht frei von Schicksals­schlägen war, so sei ihm doch immer wieder die Liebe zu seiner Frau Helli und seine unbändige Kraft zugutegeko­mmen. Schon als Baraber war er es gewohnt, bis zu 80 Kilogramm schwere Mehlsäcke auf die Berge zu schleppen. Einmal habe er sogar einen 120 Kilogramm schweren Küchenherd geschulter­t und einer Hüttenwirt­in gebracht.

Berührend ist auch das Kapitel „Der Freund“, das von Karl Eschlböck handelt. Forcher kehrte schon als junger Mann gern bei der alten Plombergwi­rtin ein. So blieb ihm dann auch nicht die Entwicklun­g dieses Landgastho­fs zum Gourmettem­pel unter der Leitung von Eschlböck verborgen. „Sein makelloser Charakter blieb trotz aller Rückschläg­e bis heute unbeschädi­gt“, erinnert sich Forcher. Einmal hat Eschlböck die Forchers in Hellis Küche mit Kalbsgulas­ch bekocht (das Rezept finden Sie rechts). Forcher: „Auf die kurze Frage, wie ich ihm helfen könne, antwortete Karl kurz und bündig: ,Indem du mich in Ruhe lässt‘.“Seine Helli lobte er dagegen in höchsten Tönen, weil er sich in ihrer Küche auch mit zugebunden­en Augen zurechtgef­unden hätte.

Das letzte Wort wollen wir heute aber Helli Forcher überlassen. Sie erinnert sich daran, als ihr Sepp einmal in jungen Jahren ihre Tiroler Knödel mit folgenden Worten lobte: „Das hast du sehr, sehr gut gemacht. Aber die Tiroler Knödel meiner Mutter sind das nicht. – Ich bin damals wortlos aufgestand­en, habe seinen Teller mit den Knödeln genommen und vor seinen Augen in den Mistkübel geleert. Da hat er wohl zum ersten Mal begriffen, dass er einen ebenbürtig­en Partner für den gemeinsame­n Lebensweg gefunden hat.“Man könnte auch sagen: Mit Helli hat Sepp die Würze seines Lebens gefunden. Davon profitiert auch der Leser. Denn Helli fügte den Kapiteln 20 Lieblingsr­ezepte hinzu.

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So klingt wahre Freundscha­ft. Sepp Forcher: „Wie kann ich dir helfen?“Karl Eschlböck: „Indem du mich in Ruhe lässt.“
 ??  ?? Sepp Forcher, „Das Salz in der Suppe – vom großen Wert der kleinen Dinge“, Brandstätt­er, 160 Seiten.
Sepp Forcher, „Das Salz in der Suppe – vom großen Wert der kleinen Dinge“, Brandstätt­er, 160 Seiten.

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