Dauerstress vorm Förderband
ICHmag keine Supermarktkassen. Und das liegt nicht am Personal in den Geschäften. Sondern an der Kundschaft.
Das Anstellen vor der Supermarktkassa ist vergleichbar mit einer Fahrt auf der Autobahn während der morgendlichen Stoßzeit. Hier wie dort ist vorn oft ein Trödler unterwegs, hinten ein Drängler. Und ich bin zwischen beiden eingequetscht. Was auf der Autobahn der protzige SUV ist, das ist im Supermarkt der klapprige Einkaufswagen des oder der Nachkommenden.
Nun leide ich weder an Klaustrophobie noch an Mysophobie, der Angst vor Ansteckung durch Bakterien, schon gar nicht an Lachanophobie – der Angst vor dem Gemüse der vor und hinter mir Anstehenden. Mangels Schweißausbrüchen und Schwindel kann auch keine Agoraphobie diagnostiziert werden, die andere befällt, wenn sie sich in einer großen Menschenmenge befinden. Nein, es ist lediglich der Unwille, bei jedem Einkauf gestresst zu werden – ein medizinischer Fachausdruck dafür muss erst gefunden werden.
Kürzlich wühlte im Supermarkt, gleich neben der Kassa, ein älterer Herr, in diversen Magazinen, bevor er den Beweis antrat, dass er das Trödeln und das Drängeln gleichermaßen beherrscht: Er zwängte sich ohne ein Wort vor mir in die Schlange – in seiner Gedankenwelt hatte er sich offenbar während des Schmökerns quasi imaginär schon angestellt. Nachdem er sich so nonchalant reingeschmuggelt hatte, kostete er die Zeit vor der Kassa richtig aus. Etliche Minuten brauchte er, bis er seine sieben Zwetschken eingeräumt und gezahlt hatte. Nicht genug, stopfte er zuletzt auch noch mein Wurstweckerl und mein Bounty in seine Tasche. So überzeugt war er vom eigenen Tun, dass er mir schon beinahe wieder imponierte.
Während man solche Sonderbarkeiten nicht jeden Tag erlebt, gehört das Gedränge hinter meinem Rücken zu jedem Einkauf. Dort spielt sich stets das gleiche Szenario ab: Sich selbst und andere stressende Einkäufer und Einkäuferinnen legen ihre Butterpackungen und Spülmittel hektisch aufs Förderband, bevor ich noch den ersten Artikel dort platzieren konnte. Und wenn am Förderband noch gar kein Platz frei ist? Dann stellen sie ihre Fertigpizzaschachteln und Karnickelfuttersäcke auf den schmalen, metallenen Rand am Ende des Förderbandes – was ihnen vielleicht beim Stressabbau hilft, allerdings gar nichts an der Wartezeit ändert.
Immerhin, eine Hoffnung bleibt: dass irgendwann, ähnlich wie in Banken, auch vor Supermarktkassen knallrote Sperrlinien am Boden aufgeklebt werden. Damit man sich dort nicht mehr wie zur Stoßzeit auf der Autobahn fühlen muss.