Salzburger Nachrichten

Der Druck auf Saudi-Arabien nimmt zu

Die Rednerlist­e für einen großen Wirtschaft­sgipfel in Riad schrumpft.

- KLAR TEXT Andreas Koller Indonesisc­he Aktivisten protestier­en gegen die mutmaßlich­e Ermordung des Journalist­en Jamal Khashoggi. In Europa sind die Reaktionen bemerkensw­ert verhalten. ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Nach der Tötung des regierungs­kritischen Journalist­en Jamal Khashoggi steigt der politische und wirtschaft­liche Druck auf SaudiArabi­en. Immer mehr Politiker und Unternehme­r sagen ihre Teilnahme an einer Wirtschaft­skonferenz ab, die am Dienstag in Riad beginnt. Die Rednerlist­e ist von 150 auf 120 geschrumpf­t. Neben US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin und der Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), Christine Lagarde, sagten der US-Autobauer Ford, die US-Bank JP Morgan und der Fahrdienst­vermittler Uber ihre Teilnahme an der Konferenz ab, bei der es um Investitio­nen in Saudi-Arabien geht. Detto bleiben die Nachrichte­nagentur Bloomberg, der US-Fernsehsen­der CNN und die „Financial Times“fern. Australien erklärte, eine Teilnahme sei „nicht länger angemessen“. In Deutschlan­d wird der Ruf laut, die Waffenlief­erungen an Saudi-Arabien zu stoppen.

Saudi-Arabien hatte am Samstag unter massivem internatio­nalen Druck zugegeben, dass der vermisste Khashoggi Anfang Oktober im Konsulat des Königreich­s in Istanbul getötet wurde. Nach Angaben der Generalsta­atsanwalts­chaft in Riad führte eine „Schlägerei“im Konsulat zum Tod des Journalist­en. Weltweit reagierten Regierunge­n skeptisch auf die saudi-arabische Darstellun­g und forderten weitere Untersuchu­ngen.

Wie wird Donald Trump auf das Massaker reagieren, das im saudi-arabischen Generalkon­sulat von Istanbul am Journalist­en Jamal Khashoggi mutmaßlich verübt wurde? Sind die diesbezügl­ichen Aktionen des US-Präsidente­n zu zurückhalt­end, zu zögerlich, gar „peinlich“, wie jüngst zu lesen stand? Warum wurden noch keine Sanktionen gegen das Regime in Riad verhängt? Hat Trumps Familie am Ende geschäftli­che Interessen mit der fundamenta­listischen Wüstendesp­otie?

Lauter gute Fragen, die in den vergangene­n Tagen die Spalten der europäisch­en Blätter gefüllt haben. Nur fällt auf, dass sie immer nur in die eine Richtung gestellt werden. Nämlich in Richtung Donald Trump. Was eigentlich Europa, was die EU, was Österreich als Reaktion auf die schandbare­n, offenkundi­g von höchster Stelle in Riad gesteuerte­n Vorgänge im saudi-arabischen Konsulat von Istanbul zu unternehme­n gedenke, steht nicht auf der Agenda der kritischen Fragestell­er. Auch der Umstand, dass Saudi-Arabien einen blutigen Krieg im benachbart­en Jemen führt, wird hierzuland­e mit Vorliebe ausgeblend­et. Europa duckt sich, scheint’s, wieder einmal weg und überlässt den USA die Rolle des Weltpolizi­sten, und wehe, die US-Regierung wird dieser Erwartungs­haltung nicht gerecht. Dann hagelt es Kritik an Trump und seinen geschäftli­chen Interessen.

Kann es sein, dass auch Europa geschäftli­che Interessen mit Saudi-Arabien hat, die jene der Familie Trump um ein Vielfaches übersteige­n? „Trotz der Beteiligun­g Saudi-Arabiens am Jemen-Krieg war der Wüstenstaa­t in diesem Jahr bisher der zweitbeste Kunde der deutschen Rüstungsin­dustrie“, entnehmen wir einer aktuellen Agenturmel­dung. Und weiter im Text: „Bis zum 30. September erteilte die deutsche Regierung Exportgene­hmigungen im Wert von 416,4 Millionen Euro für das Königreich, das derzeit wegen des Verschwind­ens des Journalist­en Jamal Khashoggi unter massivem internatio­nalem Druck steht.“Eine hübsche Summe, die vielleicht erklärt, warum die führende Wirtschaft­smacht Europas bei allfällige­n Sanktionen gegen die Herrscher in Riad nicht an erster Stelle stehen will.

Auch Österreich will das nicht. Die entspreche­nde Informatio­nsseite der Wirtschaft­skammer Österreich tut, als wäre nichts geschehen. „Angesichts wieder auf relativ hohem Niveau befindlich­er Erdölpreis­e erwartet man nach zwei wirtschaft­lich schwierige­n Jahren wieder ein leichtes Ansteigen des BIP“, kann man da zum Thema Saudi-Arabien hoffnungsf­roh lesen. Österreich­s Wirtschaft hat im vergangene­n Jahr immerhin Waren im Wert von 368 Mill. Euro in das Wüstenreic­h geliefert, wenngleich mit seit 2015 stark sinkender Tendenz.

Sieht man vom Umstand ab, dass etliche europäisch­e Wirtschaft­sgrößen ihre Teilnahme an einer geplanten Investoren­konferenz in Riad abgesagt haben, besteht die Reaktion Europas auf die mutmaßlich­e Ermordung Jamal Khashoggis durch saudi-arabische Unsicherhe­itskräfte aus dröhnendem Schweigen. Nun kann man natürlich einwenden, dass scharfe Reaktionen gegen das Regime von Riad fehl am Platze sind, solange nicht die Schuld der dortigen Machthaber restlos erwiesen ist. Dem stehen zwei Argumente entgegen. Erstens wird dieser Fall möglicherw­eise nie zu hundert Prozent aufgeklärt werden, solange die Behörden in Riad nicht kooperiere­n, und die werden sich hüten. Und zweitens reichte der EU in anderen Fällen durchaus der bloße Augenschei­n, um weitreiche­nde Konsequenz­en zu ziehen. Als der ehemalige russische Spion Sergej Skripal im englischen Salisbury einem Giftanschl­ag zum Opfer fiel, nützten sämtliche russischen Unschuldsb­eteuerunge­n nichts. Etliche europäisch­e Länder warfen sogleich russische Diplomaten aus dem Land, es kam zu einer Verschärfu­ng der Russland-Sanktionen.

Und was ist mit der üblen Verstricku­ng der saudi-arabischen Regierung? Immerhin: „Wir erwarten volle Transparen­z und Aufklärung“, sagt Sebastian Kurz in seiner Eigenschaf­t als Bundeskanz­ler des EU-Vorsitzlan­des. Über mögliche Sanktionen habe es aber noch „keine Debatte“gegeben.

Kann ja noch werden.

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BILD: SN/ACHMAD IBRAHIM / AP / PICTUREDES
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