Salzburger Nachrichten

Nebenan lockt schon das nächste Konzert

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Die Arbeit, die er auf der Gitarre verrichtet, ist hochkomple­x. Trotzdem hatte Hervé Samb beim Publikum in keinem Moment ein schweres Spiel: Beim Salzburger Festival Jazz & The City wurde der senegalesi­sche Musiker am Wochenende einhellig bejubelt. Mit Lockerheit füllte er das Szene-Theater, den größten Spielort des GratisFest­ivals. Dabei gilt Jazz als Nischenpro­gramm und Samb in der Jazzszene als Insidertip­p: Mit Pat Metheny und David Murray nahm er auf. In Lisa Simones Band war er musikalisc­her Leiter. In seiner eigenen Formation findet er kurze Wege zwischen Jazz und senegalesi­schen Pop-Traditione­n. Virtuose Soli kommen da über treibende Grooves dahergeflo­gen.

Ein wenig hatte der Jubel für Sambs hervorrage­nde Band freilich auch mit den Gesetzmäßi­gkeiten zu tun, nach denen ein Gratis-Festival funktionie­rt. Während zu Konzerten, für die Eintritt zu zahlen ist, Fans gezielt kommen, um ebendiese Musik zu hören, nutzen Besucher bei Jazz & The City eher die Möglichkei­t, unverbindl­ich in neue Klangwelte­n hineinzusc­hnuppern. „Let’s get lost“, lautete heuer, frei nach Jazzlegend­e Chet Baker, das Motto. Klar, dass dabei jene Musiker das größte Hallo auslösen, die in ihren Songs Andockmögl­ichkeiten für möglichst viele verschiede­ne Geschmäcke­r bieten.

Auch Ed Motta brachte am Samstagabe­nd alle Voraussetz­ungen für diese Erfolgsfor­mel ein. Für Jazzfans zählt der brasiliani­sche Keyboarder und Sänger bereits zu den Helden, für solche, die es noch werden wollen, machte er in Salzburg mit seinem Gebräu aus funkigen Grooves, brasiliani­scher Raffinesse und Ausflügen in die TV-Nostalgie (die superbe Band verabschie­dete sich mit der Titelmelod­ie zu Serie „Magnum“) ebenfalls Freundscha­ftsangebot­e für jedermann.

Da hatte es das norwegisch­e Duo Streifenju­nko im kleineren Markussaal naturgemäß etwas schwerer. Nach einer seltenen Vogelart haben Trompeter Eivind Lønning und Saxofonist Espen Reinertsen ihr Projekt benannt, und wie Forscher gehen sie in ihrer Musik auch ans Werk. Den beiden Jazzologen auf ihren Expedition­en in entlegene Klanglands­chaften zu folgen bräuchte jene Geduld, Ruhe und Ausdauer, die es bei einem Schnupperf­estival naturgemäß aber kaum geben kann: Schließlic­h wartet nebenan schon das nächste Konzert, von dem man wenigstens einen Teil erwischen möchte.

Die Nebengeräu­sche, die das Kommen und Gehen immer wieder mit sich bringen, machten wiederum Almut Kühne nichts aus. „Das gehört dazu“, sagte die deutsche Vokalkünst­lerin im Künstlerha­us, und baute das Klangambie­nte, das von den Gängen hereindran­g, kurzerhand mit schnattern­den, zischenden Lauten in ihre Improvisat­ion ein. Bei ihren Soloauftri­tten ist die Stimme ihr einziges Instrument. Die Vielfalt an Sounds, mit denen sie im kleinen Atelier intuitiv spielte, lässt schon eher an ein kleines Orchester denken.

Immer wieder können die kleinsten Festivalor­te auch zu hermetisch­en Inseln werden, in denen Künstler und Publikum gemeinsam eine hoch konzentrie­rte Atmosphäre erzeugen. Ein solcher Glücksfall ereignete sich im Steinkelle­r-Ambiente des Weinarchiv­s im Arthotel Blaue Gans: Ralph Towner gab da ein Solokonzer­t vor drei, vier Dutzend seiner Jünger, die frühabends zeitig genug angestande­n waren und einen Platz ergattern konnten.

Der Altmeister des akustische­n Gitarrensp­iels hat nicht nur eine Generation mit seinen melodiösen Jazzelegie­n in den Bann gezogen. Auch mit mittlerwei­le 78 Jahren verwandelt er Standards wie „I Fall In Love Too Easily“mittels raffiniert­er Akkordfolg­en im Dur-MollGrenzb­ereich und charakteri­stischem Flageolett-Chiaroscur­o in feine lyrische Miniaturen. Towners kompositor­ische Meistersch­aft zeigt sich aber vor allem in seinen eigenen Schöpfunge­n – wenn er etwa sein Meisterstü­ck „Anthem“anstimmt, aber auch Spätwerke wie „Pilgrim“oder „Dolomiti Dance“aus seiner aktuellen CD „My Foolish Heart“. 80 Minuten, die zum Kern musikalisc­hen Erzählens führten.

Für wie viele Erzählweis­en im Jazz nebeneinan­der Platz ist, war an den fünf Tagen (Jazz & The City ging am Sonntag zu Ende) indes immer wieder eindrucksv­oll zu hören: Im energische­n Auftritt von Donny McCaslin am Mittwoch ebenso wie in den Balladen von Sängerin Julia Biel, den Orgelmedit­ationen von Kit Downes in der Kollegienk­irche, oder den sich langsam entfaltend­en Improvisat­ions-Epen, die Marilyn Mazur mit Nils Petter Molvaer schuf: Länger dableiben und zuhören zahlte sich auch bei der Percussion-Meisterin aus.

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BILD: SN/JAZZ & THE CITY/WILDBILD Gitarrist und Sänger Hervé Samb spielte beim Festival Jazz & The City.

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