Mobile Wähler schrecken müde Volksparteien auf
Mit einem blauen Auge davongekommen ist die in Südtirol seit langer Zeit regierende SVP. Aber auch ihre Mehrheit schmilzt.
Volksparteien, die bei Wahlen 40 Prozent der Stimmen und mehr erzielen, werden immer seltener. Dass die Südtiroler Volkspartei (SVP) bei der Landtagswahl am Sonntag noch über dieser Schwelle geblieben ist, kann sie kurz aufatmen lassen, aber keinesfalls in Sicherheit wiegen. Das Stimmverhalten der Wähler fast allerorten ist extrem mobil und flüchtig geworden – wie der Erfolg des Teams um den Unternehmer Paul Köllensperger zeigt, das nach seiner Gründung nicht einmal die Zeit hatte, einen Parteinamen zu finden, und schon auf 15 Prozent gekommen ist.
Wie kann es sein, dass die Lega, vor fünf Jahren bei fünf Prozent, bei der Parlamentswahl im März bei 17 Prozent und nun in Umfragen italienweit bei über 30 Prozent liegt? Oder wie kann es passieren, dass die Provinz Trient, seit ewigen Zeiten Mitte-links regiert, seit Sonntag eine satte Lega-Mehrheit hat?
Dieser Trend weg von müden Volksparteien zu agilen (rechts)radikalen Populisten erklärt auch den Sprung der Lega auf elf Prozent in Südtirol – aber nur zum Teil. Im Land unter dem Brenner ist die italienische Parteienlandschaft bis heute so zersplittert, dass die verschiedenen Kleingruppen keine kraftvoll wirksame Interessenvertretung ihrer Zielgruppen zustande gebracht haben. Die italienischsprechende Bevölkerung sieht sich nicht selten in der prosperierenden Provinz benachteiligt, die jetzt immerhin schon 100 Jahre zu Italien gehört. Dass das im Interesse von allen mühsam erworbene Gleichgewicht zwischen den Bevölkerungsgruppen empfindlich ist, zeigen am kleinen Beispiel die immer wieder vorkommenden Attacken gegen zweisprachige Wegschilder.
Und da kommt jetzt der grobschlächtige Wahlkämpfer Lega-Chef Salvini daher, der mit dem Raupenbagger – so das einmal von ihm selbst gewählte Bild – die Probleme lokal wie national beiseiteschiebt. Salvini, der Vereinfacher, wird mit seiner Lega Magnet für die Italiener, die sich hinter ihm vereinigen und beruhigen können. Er hat eine aufwendige und unglaublich effiziente Strategie der Kommunikation auch mit waghalsigen Versprechungen.
Kann die Südtiroler Volkspartei mit einem solchen Partner eine Koalition eingehen? Arno Kompatscher und seine Parteifreunde werden sich das gut überlegen müssen. Oder ist es eine Alternative, mit den Grünen und dem Rest der Linksdemokraten (PD) zusammenzugehen? Eines ist klar: Die Zeiten der stabilen, ungefährdeten Mehrheiten gehen auch im Land zwischen Eisack und Etsch zu Ende, nur etwas langsamer als anderswo.