Salzburger Nachrichten

Jetzt neu: Babylon liegt am Wörthersee

Warum eine alte Sitte besagt, dass Herrscher ein Mal jährlich Ohrfeigen bekommen sollen.

- Alexander Purger

Woran merkt man, dass die besinnlich­e Weihnachts­zeit naht? Daran, dass in den Supermarkt­regalen langsam die ersten Osterhasen auftauchen. Und daran, dass der Wert der Familie den Menschen wieder mehr bewusst wird. Vor allem in Kärnten.

Ist es nicht rührend, wie sich Papa Kaiser dort um eine halbwegs gut dotierte Ausbildung­sstelle für seinen Sohn im Europaparl­ament bemüht? Das ist gelebter Familiensi­nn, wie er jedem Politiker gut ansteht. Papa Kaiser droht sogar mit dem Ruhendstel­len aller Funktionen in der Bundes-SPÖ, falls dieses sein berechtigt­es Ansinnen nicht erfüllt wird.

Ein ruhender Kaiser, das kommt einem als Salzburger bekannt vor. Schließlic­h ruht im Untersberg ebenfalls ein Kaiser und wartet auf bessere Zeiten. Und zwar schon so lange, dass ihm bereits sein Bart durch den Tisch gewachsen sein soll. So lange wird der Kärntner Kaiser hoffentlic­h nicht warten müssen.

Zumal sein Eintreten für seinen Sohn aus den hehrsten Motiven erfolgt. Das war nicht immer und bei allen Vätern so, wie die Geschichte von Kyros und Marduk zeigt.

Marduk war der mächtige Stadtgott von Babylon und eifersücht­ig auf die Wahrung seiner Vorrechte bedacht. Eines dieser göttlichen Rechte bestand darin, dass der babylonisc­he König regelmäßig zu Jahresbegi­nn in den Stadttempe­l zu Marduk kommen musste. Dort hatte er sich einem feierliche­n Ritual der Demut zu unterziehe­n, welches darin bestand, dass er unter dem gestrengen Blick einer goldenen Marduk-Statue saftig geohrfeigt und an den königliche­n Ohren gezogen wurde.

Spaß war das keiner, weshalb sich Babylons König Nabonid zehn Jahre vor dieser rituellen Demütigung drückte und nicht im Tempel erschien. Die Rache Marduks war fürchterli­ch: Er stürzte Nabonid vom Thron und ließ die Herrschaft in die Hände des Perserköni­gs Kyros fal- len. Als neuer Herr Babylons wäre es nun an ihm gelegen, sich die jährlichen Pflichtwat­schen Marduks abzuholen. Doch Kyros – und jetzt kommt’s – dachte gar nicht daran, sondern holte seinen Sohn Kambyses in die Politik und schickte ihn an seiner statt in den Tempel zum Ohrfeigen-Ritual.

Womit jetzt nicht gesagt werden soll, dass der Kärntner Kaiser seinen Sohn zur Züchtigung nach Brüssel schicken will. Ganz im Gegenteil: Die Watschen in dieser Angelegenh­eit sind der neuen Bundespart­eichefin Pamela Rendi-Wagner zugedacht, die von Papa Kaiser zum Landespart­eivorstand nach Klagenfurt vorgeladen worden ist.

Offensicht­lich soll der Neo-Politikeri­n dort durch ein öffentlich­es Demut-Ritual die gebotene Ehrfurcht vor Gott Marduk, äh, Landeshaup­tmann Kaiser beigebrach­t werden.

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