Jetzt neu: Babylon liegt am Wörthersee
Warum eine alte Sitte besagt, dass Herrscher ein Mal jährlich Ohrfeigen bekommen sollen.
Woran merkt man, dass die besinnliche Weihnachtszeit naht? Daran, dass in den Supermarktregalen langsam die ersten Osterhasen auftauchen. Und daran, dass der Wert der Familie den Menschen wieder mehr bewusst wird. Vor allem in Kärnten.
Ist es nicht rührend, wie sich Papa Kaiser dort um eine halbwegs gut dotierte Ausbildungsstelle für seinen Sohn im Europaparlament bemüht? Das ist gelebter Familiensinn, wie er jedem Politiker gut ansteht. Papa Kaiser droht sogar mit dem Ruhendstellen aller Funktionen in der Bundes-SPÖ, falls dieses sein berechtigtes Ansinnen nicht erfüllt wird.
Ein ruhender Kaiser, das kommt einem als Salzburger bekannt vor. Schließlich ruht im Untersberg ebenfalls ein Kaiser und wartet auf bessere Zeiten. Und zwar schon so lange, dass ihm bereits sein Bart durch den Tisch gewachsen sein soll. So lange wird der Kärntner Kaiser hoffentlich nicht warten müssen.
Zumal sein Eintreten für seinen Sohn aus den hehrsten Motiven erfolgt. Das war nicht immer und bei allen Vätern so, wie die Geschichte von Kyros und Marduk zeigt.
Marduk war der mächtige Stadtgott von Babylon und eifersüchtig auf die Wahrung seiner Vorrechte bedacht. Eines dieser göttlichen Rechte bestand darin, dass der babylonische König regelmäßig zu Jahresbeginn in den Stadttempel zu Marduk kommen musste. Dort hatte er sich einem feierlichen Ritual der Demut zu unterziehen, welches darin bestand, dass er unter dem gestrengen Blick einer goldenen Marduk-Statue saftig geohrfeigt und an den königlichen Ohren gezogen wurde.
Spaß war das keiner, weshalb sich Babylons König Nabonid zehn Jahre vor dieser rituellen Demütigung drückte und nicht im Tempel erschien. Die Rache Marduks war fürchterlich: Er stürzte Nabonid vom Thron und ließ die Herrschaft in die Hände des Perserkönigs Kyros fal- len. Als neuer Herr Babylons wäre es nun an ihm gelegen, sich die jährlichen Pflichtwatschen Marduks abzuholen. Doch Kyros – und jetzt kommt’s – dachte gar nicht daran, sondern holte seinen Sohn Kambyses in die Politik und schickte ihn an seiner statt in den Tempel zum Ohrfeigen-Ritual.
Womit jetzt nicht gesagt werden soll, dass der Kärntner Kaiser seinen Sohn zur Züchtigung nach Brüssel schicken will. Ganz im Gegenteil: Die Watschen in dieser Angelegenheit sind der neuen Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner zugedacht, die von Papa Kaiser zum Landesparteivorstand nach Klagenfurt vorgeladen worden ist.
Offensichtlich soll der Neo-Politikerin dort durch ein öffentliches Demut-Ritual die gebotene Ehrfurcht vor Gott Marduk, äh, Landeshauptmann Kaiser beigebracht werden.