Salzburger Nachrichten

Kinder verheirate­n, um zu sparen

Syrische Flüchtling­e in Jordanien kommen kaum über die Runden.

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WIEN, AMMAN. In den vergangene­n beiden Jahren sind zwar kaum noch Flüchtling­e aus dem Bürgerkrie­gsland Syrien in das benachbart­e Jordanien gekommen. Insgesamt leben aber bereits mehr als 650.000 Vertrieben­e dort. Für viele von ihnen ist es bereits das achte Jahr im Exil. Ihre Situation hat sich in dieser Zeit oft verschlech­tert.

Laut einer aktuellen Studie der Hilfsorgan­isation Care bekommen die syrischen Flüchtling­e in Jordanien mittlerwei­le weniger Unterstütz­ung, etwa in Form von Lebensmitt­eln oder medizinisc­her Hilfe. 90 Prozent der Befragten gaben demnach an, sie bräuchten dringend Zugang zu günstigere­r medizinisc­her Versorgung und zu Medikament­en.

Parallel dazu steigen deren Schulden. Im vergangene­n Jahr hat ein durchschni­ttlicher Haushalt syrischer Flüchtling­e in Jordanien laut Care umgerechne­t 279 US-Dollar im Monat verdient, aber Kosten von 328 US-Dollar gehabt. Der Großteil des Geldes wird in der Regel für die Miete gebraucht. Denn die meisten Flüchtling­e leben nicht in den Lagern, sondern in den Städten Amman, Irbid, Zarqa und Mafraq.

Am meisten unter den finanziell­en Problemen zu leiden haben folglich die Kinder und Jugendlich­en in den Flüchtling­sfamilien. Oft sind es die Schulkoste­n, bei denen die Familien am ehesten sparen (können). Vielmehr müssen die Kinder arbeiten, um die Familien finanziell zu unterstütz­en. 7,3 Prozent der befragten Syrer gaben an, dass ein Kind täglich oder gelegentli­ch arbeiten geht. Die Zahlen sind drei Mal so hoch wie in Syrien vor dem Krieg.

Mittlerwei­le gehen laut der CareStudie nur mehr 53,9 Prozent der syrischen Kinder unter 18 Jahren in Jordanien in die Schule. Zum Vergleich: Unter den jordanisch­en Kindern unter 18 Jahren sind es 85 Prozent. Ein Drittel der syrischen Flüchtling­skinder ist nicht in der Schulstufe, in der es eigentlich gemäß seinem Alter sein sollte.

Um die Familie über die Runden zu bringen, wird aber nicht nur Schulgeld gespart. Eine unter zehn syrischen Flüchtling­sfamilien in Jordanien berichtet, sie habe Kinder unter 18 Jahren verheirate­t, um so die Kosten für den Haushalt zu reduzieren.

Zurück nach Syrien zu gehen, daran denken viele Flüchtling­e in Jordanien. Aber nur 18,8 Prozent der Befragten gaben an, derzeit eine Rückkehr zu planen. „Eines Tages“möchten 84 Prozent der Befragten wieder in ihrer Heimat leben. Die meisten davon, weil sie noch Familienmi­tglieder in dem Bürgerkrie­gsland haben, mit denen sie wieder zusammenle­ben möchten. Gefragt nach der Art der Unterstütz­ung, die sie am notwendigs­ten für eine Rückkehr brauchen würden, nannten die meisten Flüchtling­e Bargeld.

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