Ein Leitfaden zum Wohl des Wettbewerbs
Die Bundeswettbewerbsbehörde macht Unternehmen präventiv darauf aufmerksam, wo sie einen Missbrauch von Marktmacht ortet.
WIEN. Bäuerliche Familienbetriebe vor der Übermacht von Verarbeitern und Händlern zu schützen ist Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger ein großes Anliegen. Daher drückt sie bei der EU-Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken aufs Tempo, gern würde sie diese noch in der österreichischen Präsidentschaft „politisch abschließen“. Sie hoffe, dass das EU-Parlament noch diese Woche ein Mandat für Verhandlungen mit Kommission und Rat erteilt, sagte Köstinger am Montag. Und sie nimmt Vertretern im Lebensmitteleinzelhandel – zuletzt hatte sich Spar-Chef Gerhard Drexel lautstark zu Wort gemeldet – die Sorge vor überschießenden Regelungen. Ein Antrag einiger deutscher EU-Parlamentarier, wonach es dem Handel nicht mehr möglich sein soll, bei Eigenmarken von Produzenten höhere als die gesetzlich normierten Umweltschutzund Tierwohlstandards zu verlangen, decke sich nicht mit dem Mandat der Minister. „Das werden wir herausverhandeln“, sagte die Ministerin. Für sie sei das der falsche Ansatz, man sollte nach höheren Standards streben, „allerdings sollte der Handel dafür auch bezahlen“.
Das sei eben leider oft nicht der Fall, sagte Köstinger. Beschwerden gebe es auch über einseitige rückwirkende Änderungen in Verträgen, das betreffe vereinbarte Preise, Liefermengen und -fristen oder die unfreiwillige finanzielle Beteiligung an Werbeaktionen. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nahm das zum Anlass, einen Katalog für unternehmerisches Wohlverhalten zu erstellen. Den betrachtet BWB-Chef Theodor Thanner als Serviceleistung für Unternehmen, diesen solle es „einfach gemacht werden, Recht einzuhalten“. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Prävention von Verstößen, es handle sich aber um Empfehlungen, Gerichte und Behörden seien daran nicht gebunden. Es gehe der BWB darum, transparent zu machen, was sie unter fairem Wettbewerb verstehe. Laut Thanner richtet sich der Leitfaden nicht an eine Branche, sondern die gesamte Wirtschaft. Man wolle „Benachteiligungen von marktschwachen Vertragspartnern und damit Wettbewerbsverzerrungen verhindern“. Der BWB-Chef sieht im Leitfaden eine Grundlage für die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht, die voraussichtlich 2019 erfolgen wird. Für Köstinger ist der Leitfaden ein Zeichen, dass „Österreich im Kampf gegen unfaire Geschäftspraktiken Vorreiter sein will“. Helfen soll auch die seit Februar 2018 bestehende Möglichkeit, über ein Whistleblower-System Missstände auch anonym anzeigen zu können.
Die Landwirtschaftskammer äußerte sich positiv zum Leitfaden der BWB, ebenso der Handelsverband. Dessen Geschäftsführer Rainer Will wies jedoch darauf hin, dass es wirtschaftliches Ungleichgewicht nicht nur zugunsten des Abnehmers, sondern je nach Branche auch zugunsten von Lieferanten gebe.
„Wir wollen Bewusstsein schaffen.“Elisabeth Köstinger, Agrarministerin
„Zerschlagung ist nicht der richtige Weg.“Theodor Thanner, Generaldirektor BWB