Jeder Unfall ist einer zu viel
Das Thema Lkw-Sicherheit wird derzeit heiß diskutiert. Die einen fordern schärfere Gesetze, die anderen „Abschaltverbote“für Assistenzsysteme.
SALZBURG. In den vergangenen Monaten wurde verstärkt von schweren Unfällen an Stauenden sowie zwischen Lkw und Radfahrern oder Fußgängern berichtet. Dabei ist die reine Zahl im Jahresvergleich in Deutschland im innerstädtischen Bereich ungefähr konstant geblieben, auf der Autobahn sogar gesunken. Dennoch ist jeder dieser Unfälle einer zu viel. Deshalb arbeiten die Lkw-Hersteller, unter ihnen federführend MercedesBenz, intensiv an Systemen zur Unfallvermeidung und an der systematischen Weiterentwicklung der automatisierten Notbremssysteme oder dem Abbiege-Assistenten, den Mercedes-Benz als vollintegriertes System derzeit als einziger Hersteller weltweit im Angebot hat.
Verschärfung von technischen Anforderungen zur Unfallverringerung
Unterstützung kommt beim Thema Lkw-Sicherheit auch aus der Politik. Die Zielsetzung ist dabei durchaus ehrgeizig: Halbierung der Zahl der im Straßenverkehr Getöteten innerhalb von zehn Jahren. Ein systematischer Ansatz, der beispielsweise zur Ausstattungspflicht mit automatisierten Notbremssystemen für neu zugelassene Lkw und Reisebusse seit November 2015 geführt hat – im November 2018 werden die technischen Anforderungen an solche Systeme verschärft.
In der laufenden Revision der Richtlinie zur allgemeinen Fahrzeugsicherheit schlägt die EU-Kommission unter anderem vor, alle Lkw und Busse ab 2024 verpflichtend mit Abbiege-Warnsystemen auszustatten. „Sobald die technischen Anforderungen an die Typprüfung von Abbiege-Assistenzsystemen festgelegt sind, müssen also alle anderen Hersteller dem Beispiel von MercedesBenz folgen. Das ist als Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in ganz Europa zu begrüßen“, erklärt Dieter Schoch, zuständig für Nutzfahrzeugsicherheit im Bereich Politik und Außenbeziehungen bei Daimler.
Der Einbau von Notbremsassistenzsystemen ist seit November 2015 Pflicht für Neufahrzeuge. Der Ausstattungsgrad des Fahrzeugbestands liegt im Fernverkehr bei nunmehr etwa 50 Prozent.
Lkw mit Sicherheitssystemen verursachen deutlich weniger Unfälle
Dass automatisierte Notbremssysteme sehr positiv wirken, zeigt das reale Unfallgeschehen eindeutig: Aktuelle Untersuchungen in Niedersachsen und Baden-Württemberg belegen, dass Lkw, die mit einem solchen System ausgestattet sind, deutlich seltener Unfälle verursachen als Lkw ohne ein solches System. Schoch ist überzeugt: „Die schnelle verpflichtende Einführung eines AbbiegeAssistenten würde zu den gleichen Ergebnissen kommen.“
Andererseits muss sehr genau geschaut werden, wie die Unfälle im Detail zustande kommen, um weitere Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Mercedes-Benz setzt hier auf die hauseigene Unfallforschung, deren Ergebnisse sowohl in den Weiterentwicklungsprozess für die Systeme als auch in die Diskussion mit dem Gesetzgeber über zukünftige Gesetzesanforderungen eingehen. „Die Entwicklungsdynamik hier im Haus ist unheimlich hoch“, berichtet Schoch. „Die Sensorik wird technisch immer besser, die Algorithmen immer leistungsfähiger, die Systemauslegung insgesamt immer ausgefeilter.“Außerdem würden die Vernetzung zwischen den Fahrzeugen, Informationen aus der Straßeninfrastruktur und Automatisierung zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen.
Abschaltbarkeit der Assistenzsysteme vom Gesetzgeber vorgeschrieben
In der Öffentlichkeit wird aktuell auch diskutiert, dass die besten Systeme nichts bringen, wenn sie durch den Fahrer abgeschaltet werden können. Die heutigen Systeme sind jedoch unter der gesetzlichen Rahmenbedingung entwickelt worden, dass der Fahrer jederzeit die Hoheit über sein Fahrzeug haben muss. Daher hat der Gesetzgeber die Abschaltbarkeit ursprünglich vorgeschrieben. „Diese hat aus unserer Sicht aber auch inhaltlich Sinn, dann, wenn beispielsweise der Sensor durch ein Vorbaugerät verdeckt ist, wie im Schneepflugbetrieb von Fahrzeugen der Straßenmeisterei oder derzeit noch in einigen hochkomplexen Verkehrssituationen in der Stadt“, so Schoch.