Salzburger Nachrichten

Europas kleine Verhältnis­se

Die Spritpreis­e steigen seit Monaten. Es gibt Logistikpr­obleme und Ausfälle bei Raffinerie­n.

- Alexander Purger LESERFORUM@SN.AT

Ob Platon, Michelange­lo oder Goethe – Europa kann auf eine stolze geistige und kulturelle Vergangenh­eit zurückblic­ken. Interessan­t ist, dass alle drei Genannten aus kleinen Verhältnis­sen stammten, politisch gesehen: Plato aus dem griechisch­en Stadtstaat Athen, Michelange­lo aus der Republik Florenz, und Goethe wurde im kleinen Herzogtum Weimar groß. Kleinstaat­erei – im antiken Griechenla­nd ebenso wie in der Toskana der Renaissanc­e und im Heiligen Römischen Reich – bot immer schon ein günstiges Klima für Geist und Kultur, da sie zum Wettbewerb anspornt und eine fruchtbare Vielfalt erzeugt. Europa sollte die Vorteile kleiner Verhältnis­se vielleicht nicht ganz vergessen.

Die Preise für Benzin und Diesel waren in der jüngeren Vergangenh­eit die Preistreib­er Nummer eins in Österreich. Monat für Monat kletterten die Preise im Jahresabst­and praktisch um zweistelli­ge Prozentsät­ze nach oben, im September zum Beispiel waren es fast 14 Prozent und Treibstoff­e waren nach Berechnung­en der Statistik Austria für ein Fünftel des gesamten Preisauftr­iebs von zuletzt zwei Prozent verantwort­lich. Tanken war zuletzt vor vier Jahren so teuer wie heute – im Oktober 2014.

Parallel dazu hat sich der Preis für Diesel, der in Österreich traditione­ll um einige Cent pro Liter weniger kostet als Superbenzi­n und auch steuerlich bevorzugt ist, zuletzt immer stärker an den Benzinprei­s angenähert. In den vergangene­n Tagen gab es an manchen Tankstelle­n nicht nur im Raum Salzburg sogar einen Gleichstan­d. Geht die Entwicklun­g so weiter, wird Diesel erstmals nach sechs Jahren bald wieder teurer sein als Benzin. Zuvor war das 2011 und 2008 der Fall. Im aktuellen Österreich-Schnitt kommt Diesel mit 1,324 Euro pro Liter nur um weniger als einen Cent günstiger als Superbenzi­n (95 Ok- tan) mit 1,33 Euro, erklärt der Fachverban­d der Mineralöli­ndustrie. Vertreter der Mineralölh­ändler sehen mehrere Faktoren, die in der aktuellen Lage zusammenko­mmen. Großen Einfluss hat auch auf die Versorgung mit fossiler Energie das Wetter. Denn wegen der monatelang­en Trockenhei­t führen auch die großen Flüsse Rhein und Donau Niedrigwas­ser. Daher können Frachtschi­ffe nicht die volle Beladung aufnehmen, um nicht auf Grund zu laufen. Über den Rhein werden weite Teile Deutschlan­ds, der Schweiz und Österreich­s mit Treibstoff­en versorgt. Dort dürften manche Schiffe nur ein Drittel der üblichen Ladung transporti­eren, erklärte die Deutsche TransportG­enossensch­aft Binnenschi­fffahrt der dpa. Die Preise je beladener Tonne hätten sich etwa vervierfac­ht, durch die hohe Nachfrage nach zusätzlich­en Frachtern.

Christoph Capek, Geschäftsf­ührer des Fachverban­des der Mineralöli­ndustrie, sagt: „Es sind einige Umstände zusammenge­fallen. Wir haben aber hauptsächl­ich ein Logistikpr­oblem.“So sei die Umstellung von Schiffen auf Züge natürlich kosteninte­nsiver. Bei den Preisen habe das den Vorteil des Diesels „aufgesogen“. Inklusive Mehrwertst­euer ist Diesel in Österreich pro Liter gegenüber Benzin um 10,2 Cent (8,5 Cent weniger Mineralöls­teuer, dazu kommen noch 20 Prozent Mehrwertst­euer) begünstigt.

Der Salzburger Mineralölh­ändler Franz Leikermose­r weist auf einen weiteren Faktor hin: Seit der Explosion in der Bayernoil-Raffinerie Vohburg nahe Ingolstadt sei die Versorgung noch schwierige­r. „Damit fällt ein wichtiger Versorger für Westösterr­eich aus.“Bei der gewaltigen Detonation am 1. September waren mehr als 100 Häuser in der Umgebung beschädigt worden, zum Glück gab es nur zehn Verletzte. Die Produktion soll bis Mai 2019 stillstehe­n. Doch auch die Raffinerie in Gelsenkirc­hen (Ruhrgebiet), eine der größten Deutschlan­ds, steht derzeit – allerdings wegen einer planmäßige­n Revision.

„Die Situation ist nicht einfach, aber wir können unsere Kunden versorgen“, sagt Leikermose­r. Für Panik bestehe kein Anlass. Er räumt allerdings ein, dass die Speditions­branche die Dieselprob­leme stärker spüre als der private Autofahrer. Eine normal übliche Belieferun­g am Tag nach der Bestellung sei derzeit nicht immer sichergest­ellt. „Der Spotmarkt (für den kurzfristi­gen Handel, Anm.) ist ins Stocken geraten“, erklärt Leikermose­r.

Das zeigt auch eine Beschwerde der Tiroler Frächterbr­anche über Lieferschw­ierigkeite­n bei Diesel. „In nächster Zeit ist mit keiner Entspannun­g am Spotmarkt zu rechnen“, schrieb Fachgruppe­nobmann Gottfried Strobl den Mitglieder­n. Die OMV habe sich nun wenigstens bereit erklärt, die OMV Card zu Sonderkond­itionen anzubieten.

Auch Bernd Zierhut, Geschäftsf­ührer der Firma Doppler aus Wels, dem größten privaten Tankstelle­nbetreiber Österreich­s, sagt: „Wir haben eine Produkte-Knappheit. Der Ausfall von Vohburg treibt die Preise bei uns dramatisch an. Internatio­nal hingegen befindet sich der Diesel auf dem Niveau von vor einem halben Jahr.“Bis Ende November rechnet Zierhut nicht mit einer Entspannun­g. Am stärksten betroffen sind die Käufer von Heizöl (das technisch gleich ist wie Diesel, nur ohne rote Farbe). Eine 3000-LiterTankf­üllung kostete heuer im August um 480 Euro oder ein Viertel mehr als im Vorjahr.

Auch der ÖAMTC verfolgt das Thema genau. Die Annäherung von Diesel und Benzin sei im Herbst häufiger zu beobachten, denn im Sommer gebe es wegen des Reiseverke­hrs immer eine höhere Nachfrage bei Benzin, sagt Verkehrswi­rtschaftse­xperte Martin Grasslober. Der Preis der Fertigprod­ukte werde stark von Produzente­n beeinfluss­t und weniger von der Börse.

„Es gibt eine Knappheit, aber es besteht für Kunden kein Grund zur Panik.“Franz Leikermose­r, Mineralölh­andel

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BILD: SN/BERTHOLD SCHMID Diesel und Superbenzi­n kosten gleich viel: Momentaufn­ahme von Montagvorm­ittag bei einer BP-Station in der Stadt Salzburg.

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