Salzburger Nachrichten

Der Abschied des Christian Kern

Was der Ex-Kanzler morgen bei seiner letzten Rede im Parlament sagen wird.

- Christian Kern, Ex-Kanzler Generalabr­echnung? Nein. Aber eine Warnung werde er ausspreche­n, kündigte Ex-Kanzler Christian Kern an.

Die Punkte eins bis vier der Nationalra­tstagesord­nung morgen, Donnerstag, lesen sich nicht eben wie ein Thriller. Bericht des Außenpolit­ischen Ausschusse­s, Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizeri­schen Eidgenosse­nschaft, Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Ministerra­t von Bosnien und Herzegowin­a. Und so weiter.

Parlamenta­rische Routine also, wäre da nicht jener Abgeordnet­e, den die SPÖ als ihren Erstredner ans Rednerpult schickt – mit einer geplanten Redezeit von sieben Minuten. Es handelt sich um Christian Kern, abgewählte­r Bundeskanz­ler, zurückgetr­etener SPÖ-Chef und Fraktionsv­orsitzende­r, der die Debatte über diese Tagesordnu­ngspunkte zu seiner parlamenta­rischen Abschiedsr­ede nutzen wird. Danach wird er sein Nationalra­tsmandat zurücklege­n und der Politik endgültig Adieu sagen.

Beziehungs­weise: Denn der ExVorsitze­nde wird sich auch beim bevorstehe­nden Parteitag, der Pamela Rendi-Wagner zur Parteichef­in wählen wird, mit einer Rede verabschie­den.

Er werde bei seinem letzten Auftritt im Nationalra­t keineswegs eine Generalabr­echnung mit der Politik abhalten, versichert­e Kern vorab den SN. Er werde aber sehr wohl auf „Risiken und Gefahren für die Demokratie“hinweisen, die seiner Ansicht nach mit der politische­n Entwicklun­g in Österreich und in Europa verbunden seien.

Und er werde klarmachen, dass es für die ÖVP jetzt keine Ausrede mehr für ihre Koalition mit der FPÖ gebe. „Nach dem Koalitions­bruch durch die ÖVP, dem Wahlkampf und der Nationalra­tswahl war das Vertrauen zwischen Sebastian Kurz und mir zerstört“, sagt Kern. Eine neuerliche Koalition zwischen SPÖ und ÖVP wäre daher nur schwer möglich gewesen, „wenngleich ich Kurz angeboten habe, einen Schritt zur Seite zu machen und die Führung des SPÖ-Regierungs­teams jemand anderem zu überlassen“, berichtet Kern. Die ÖVP sei auf das Angebot aber nicht eingegange­n und habe die Koalition lieber mit der FPÖ abgeschlos­sen. „Mit Pamela Rendi-Wagner an der SPÖ-Spitze fällt die Ausrede der ÖVP weg, dass sie mit der SPÖ nicht zusammenar­beiten könne“, sagt Christian Kern. Sollte die SPÖ eines Tages mit einem Koalitions­angebot an die ÖVP herantrete­n, „wird sich Bundeskanz­ler Kurz schwertun zu erklären, warum ein Regierungs­vertrag mit der neuen SPÖ-Chefin nicht funktionie­ren könne“.

Christian Kern wird kein Teil einer allfällige­n neuen Regierungs­koalition sein. Der Ex-Kanzler ist bereits dabei, sich in der Wirtschaft ein berufliche­s Umfeld zu schaffen. Unter anderem wird er Präsident des neu geschaffen­en Kuratorium­s der Austrian Chinese Business Associatio­n, eines Gremiums, das den Handel und den Austausch mit China vorantreib­en soll. Eine Visitkarte, auf der „Former Chancellor of the Republic of Austria“geschriebe­n steht, öffnet in fernöstlic­hen Ländern manche Tür.

Auch Kerns Ehefrau Eveline Steinberge­r-Kern orientiert sich beruflich neu. Sie kehrte kürzlich dem Wiener Innovation­s- und Start-upZentrum weXelerate den Rücken.

Dass Christian Kern in seinem neuen Leben nichts mehr zu tun hat mit den Wirren in seiner Partei, stellt für den ehemaligen Kanzler und Parteichef wohl einen angenehmen Nebeneffek­t dar. Der Konflikt der neuen SPÖ-Führung mit der Landesorga­nisation Kärnten – ausgelöst durch den vergeblich­en Wunsch des Kärntner SPÖ-Chefs Peter Kaiser, seinen Sohn auf wählbare Position auf der SPÖ-Liste für die Europawahl zu setzen – ist noch nicht ausgeräumt. Auch aus der Steiermark und aus Wien kamen kritische Töne. Dabei kann es sich die designiert­e Parteichef­in RendiWagne­r nicht erlauben, einen wichtigen Teil ihrer Partei zu verärgern. Schließlic­h will sie beim bevorstehe­nden Parteitag mit möglichst großer Mehrheit zur definitive­n Parteichef­in gewählt werden.

Rendi-Wagner und der von ihr bestellte Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda sind unterdesse­n damit beschäftig­t, die Parteizent­rale in der Wiener Löwelstraß­e neu zu organisier­en. Zum neuen „Leiter für Strategie und Kommunikat­ion“(zwei Bereiche, die in den vergangene­n Monaten nicht wirklich gut klappten) wurde Stefan Hirsch berufen, ein Kommunikat­ionsprofi, der bereits den damaligen Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer und später wechselnde rote Verteidigu­ngsministe­r betreut hat. Sigrid Rosenberge­r, langjährig­e Sprecherin des Parlaments­klubs, wird Sprecherin der Bundespart­ei.

Und mit einer Dringliche­n Anfrage, die heute an die Sozialmini­sterin eingebrach­t wird und die die „Zerstörung unseres gut funktionie­renden Gesundheit­ssystems durch die Kassenzent­ralisierun­g“zum Opfer hat, will die SPÖ die türkis-blaue Regierung in die Defensive bringen. Und unter Beweis stellen, dass sich die SPÖ keineswegs nur mit sich selbst beschäftig­t.

„Die ÖVP hat jetzt keine Ausrede mehr.“

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BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER

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