Wenn der letzte Aperol getrunken ist
Sieben Jahre hat PeterLicht kein Studioalbum mehr veröffentlicht. Jetzt stellt er wieder treffsichere Diagnosen zur Zeit.
SALZBURG. Ob man nur das eigene Profilbild bei WhatsApp austauscht oder doch gleich den ganzen Lebensstil dem nächsten Trend anpasst: Wir leben in einer Zeit der flinken Möglichkeiten, sich umzuentscheiden. Bei Wahlen bekommen auch Meinungsforscher diesen Trend immer öfter zu spüren. Die gute Nachricht: Wie für jedes Zeitgeistphänomen hat der deutsche Popanalytiker PeterLicht auch dafür eine treffende Diagnose mit griffigen Parolen parat. „Du hast dich vertätowiert. Ich hab mich verföhnt. Sie hat sich veroperiert“, singt er im „Umentscheidungslied“auf seinem eben erschienenen, neuen Album „Wenn wir alle anders sind“. Auch all jene, die sich vergessen oder eben verwählt haben, umarmt er danach mit einem euphorisch durch einen zeitgeistigen Stimmfilter gesungenen Refrain: „Ich glaub’ wir haben was falsch gemacht – wir müssen uns wieder umentscheiden – na klar, na klar, na klar“.
Ein Sound sonniger Unbekümmertheit trifft auf Textbotschaften mit vielen Widerhaken: So funktionieren die Lieder, die PeterLicht schreibt. Wenn er Zweifel an der Welt anmeldet, verpackt er sie gern in Akkorde, die verträumten Optimismus zu verströmen scheinen. Das neue Album knüpft da nahtlos an Vorgänger wie „Lieder vom Ende des Kapitalismus“(2006) oder „Das Ende der Beschwerde“(2011) an.
Vor dem neuen Album allerdings lag eine siebenjährige Pause. In der Zeit erschien eine Live-CD, PeterLicht gab Konzerte, ansonsten widmete sich der Musiker, Theatermann und Autor (der beim Bachmann-Wettlesen 2007 zweifach ausgezeichnet wurde) anderen Projekten wie Neudeutungen von Molière-Stücken für das Theater Basel.
„Sprachverliebt und radikal“nehme er die Gegenwart ins Visier, heißt es dort aktuell auf der Internetseite: Zu sehen ist in Basel derzeit PeterLichts Überschreibung von Molières „Tartuffe“. Die Beschreibung trifft zugleich auch auf die neuen Songs zu, von denen einige auch Teil des Bühnenprojektes wurden. Im „Chipslied“etwa spinnt der Poppoet einen Spruch, der früher zur Ökobewegung gehörte, für erlebnisoptimierte Zeitgenossen weiter: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann“, hieß es damals. „Erst wenn der letzte Aperol Spritz getrunken ist, werdet ihr sehen, dass man Aperol nicht trinken kann“, heißt es jetzt. Auch die sozialistische „Internationale“bekommt neue Zeilen: „Borderliner aller Länder, grenzt euch ab und macht dicht.“Zwischen fein geschliffener Ironie, melancholischer Weltbetrachtung, ernst gemeinter Systemkritik und absurder Poesie bleibt für ihn weiter genug zu tun: „Eine Gesellschaft ohne PeterLicht kann überleben“, heißt es im Beipacktext zum Album – „aber nicht lange“.