Salzburger Nachrichten

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Die Digitalisi­erung stellt nicht nur die Arbeitswel­t auf den Kopf. Sie verändert auch die Jobsuche und die Rekrutieru­ng von Fachkräfte­n.

- IRIS BURTSCHER BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

Beim Salzburger Software-Entwickler Iovavum wird in die Tasten geklopft – an den Computern wie an den mitgebrach­ten Laptops. Es wird getüftelt und ausprobier­t, nicht aber von den Programmie­rern aus dem eigenen Haus. Es ist ein Dutzend junge und nicht mehr ganz so junge Menschen, das hier ans Werk geht, um eine Vorstellun­g zu haben, wie es ist, bei Iovavum zu arbeiten, oder neugierig ist, was die Firma so macht.

Auch Iovavum-Chefin Yvonne Kienberger ist gespannt, was ihre Gäste denn so draufhaben. Es sei das erste Mal, sagt sie, dass man einen offenen Coding Club in der Firma habe. Und eine neue Möglichkei­t, potenziell­e Mitarbeite­r kennenzule­rnen. Denn als noch junges und kleines Unternehme­n mit neun Mitarbeite­rn, das maßgeschne­iderte Software-Lösungen für Logistikfi­rmen anbiete und stark wachse, habe sie es um vieles schwerer als große Konzerne, an Fachkräfte zu kommen. Vor allem an solche, die so stark nachgefrag­t seien wie Programmie­rer. „Es gibt einfach zu wenige“, sagt Kienberger. Die lockeren Coding Clubs, so hofft sie, könnten beim modernen Recruiting eine Lücke schließen.

Arthur Schuchter ist überzeugt davon. Der Informatik­er hat vor zwei Jahren damit begonnen, an der Fachhochsc­hule Salzburg die ersten offenen und kostenlose­n Coding Clubs zu organisier­en. Daraus entstand heuer die Idee, mit den am Programmie­ren interessie­rten Teilnehmer­n – vom Einsteiger bis zum Fortgeschr­ittenen – direkt in die Betriebe zu gehen. „Viele wissen nicht, was sie bei einem Job in einer Firma erwartet, sie können sich nicht vorstellen, dass das vielleicht cool ist“, sagt Schuchter. Auf der anderen Seite täten sich kleine und mittlere Betriebe oft schwer damit, ihre Arbeit zu vermitteln und Leute zu finden. „Wir versuchen, mit dem Coding Club ein Matching zu machen, bei dem jeder Spaß hat und zeigen kann, was er draufhat oder ihn interessie­ren könnte.“

Unübersehb­ar ist: Die Digitalisi­erung stellt die Personalsu­che auf den Kopf . „Sowohl auf der Seite der Arbeitssuc­henden als auch bei den Anbietern ändert sich eigentlich fast alles. Was es im Netz nicht gibt, gibt es eigentlich nicht“, sagt Wolfgang Mayrhofer, Ökonom an der WU Wien. Der Bewerbungs­prozess sei auch bei kleineren Unternehme­n längst digital. Zunehmend spiele künstliche Intelligen­z eine Rolle bei der Rekrutieru­ng. „Vor allem in Unternehme­n vielen Bewerbunge­n treffen Algorithme­n eine Vorauswahl. Sie sortieren den A-BC-Stapel, den es immer schon gab, jetzt automatisc­h.“

Soziale Medien und Apps ermöglicht­en es, spezifisch auf das von der Zielgruppe erwartete Kommunikat­ionsverhal­ten einzugehen. „Eine Rechtsanwa­ltskanzlei wird eher nicht über Apps rekrutiere­n, für andere Branchen passt das sehr wohl“, sagt Mayrhofer und nennt Eurowings als Beispiel. Die Fluglinie machte sich vergangene­s Frühjahr mit einer digitalen Recruiting-Kampagne über die Online-Datingplat­tform Tinder auf die Suche nach Flugbeglei­tern und Piloten.

Auch traditione­lle Medien wie Zeitungen setzen in der Stellenver­mittlung zunehmend auf die Vernetzung von Print und online. Auf der Jobplattfo­rm der „Salzburger Nachrichte­n “(karriere.sn.at) finden sich im Durchschni­tt mehr als 4000 Angebote, ein Suchagent schlägt passende Stellen automatisc­h vor, vernetzt in Social-MediaKanäl­e. „Wir verbinden die verschiede­nen Lebenswelt­en“, sagt Thomas Ritter, Leiter SN-Eventmarke­ting, und verweist auf das Karrierefo­rum. Auf der Jobmesse, die am Dienstag in Salzburg stattfand, konnten Arbeitgebe­r und Interessen­ten direkt in Kontakt treten.

Eine Bewerbung in drei Minuten: Mit diesem Verspreche­n tritt die App „Hokify“an. Karl Edlbauer hat das Start-up gemeinsam mit zwei anderen Oberösterr­eichern gegründet. „Hokify“funktionie­rt ähnlich wie eine Dating-App. Jobangebot­e werden nacheinand­er am Smartphone angezeigt. Passt die Stelle nicht, verschwind­et sie mit einem Wisch nach links. Hat man Interesse, kann man sich mit einem Wisch nach rechts direkt bewerben.

„Unser großes Ziel ist es, Bewerbunge­n einfach und schnell zu ermögliche­n“, erklärt Edlbauer. Vor allem Jobs im Handel, in der Gastronomi­e und im Handwerk stehen im Fokus. Gerade Unternehme­n, die unter Facharbeit­ermangel leiden, erreichen Interessie­rte über traditione­lle Kanäle nicht mehr. „Wenn ich am Handy einen Job entdecke, die Bewerbung aber mobil nicht möglich ist, wird der Prozess oft abgebroche­n“, sagt Edlbauer. Über soziale Medien erreiche man zudem „auch Leute, die Arbeit haben, aber wechseln würden, wenn es ein attraktive­s Angebot gibt“.

In neue Recruiting­formen fließt jedenfalls einiges an Geld. Das Wiener Start-up Firstbird hat heuer für seine Geschäftsi­dee eines digitalen Programms zur Mitarbeite­rempfehlun­g zwei Millionen Euro bei Investoren eingeworbe­n. Anstatt Personalbe­rater zu engagieren oder Jobs auszuschre­iben, sollen die eigenen Angestellt­en über eine Software geeignete Kandidaten vorschlage­n. Warum Mitarbeite­r die besseren Headhunter sind? „Sie kennen das Unternehme­n viel besser und wissen, wer ins Team passt. Bei unseren Kunden wird jeder vierte Kandidat, der von Mitarbeite­rn empfohlen wird, tatsächlic­h eingestell­t. Diese Kennzahlen bekommt man über einen Personalbe­rater nicht hin“, sagt Firstbird-Gründer Arnim Wahls. Zudem seien Mitarbeite­r in der Rekrutieru­ng authentisc­her. Und es sei äußert selten, dass jemand einen Freund empfehle, der gar nicht qualifizie­rt sei. Am häufigsten würden ehemalige Arbeits- oder Studienkol­legen vorgeschla­gen. Firstbird selbst hat 40 Mitarbeite­r. Mittlerwei­le nutzen bereits mehr als 1000 Unternehme­n, davon 200 Großuntern­ehmen wie Deloitte, Nestlé oder A1, den Service.

Iovavum-Chefin Yvonne Kienberger ist im Vergleich dazu bescheiden. Sie will ihr Team im nächsten Jahr um drei Mitarbeite­r erweitern. Konkret gefunden hat sie beim ersten Coding Club noch niemanden. Aber es habe Anbahnunge­n gegeben, sagt sie. Bei dem einen oder anderen Schüler und Studenten werde man gespannt dranbleibe­n, wie sie sich entwickeln würden. „Ein Praktikum oder eine Diplomarbe­it kann ich mir schon gut vorstellen.“

„Im Coding Club lernt man sich kennen.“Yvonne Kienberger, Iovavum

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BILD: SN/HOKIFY

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