„Die Taktik ist Draufbolzen“
WM-Teilnehmer Amer Hrustanovic beobachtet im Ringersport einen Wandel zur Schnelligkeit.
In Woche zwei der Ringer-WM in Budapest mit den Kämpfen im klassischen Stil stehen vom A. C. Wals Benedikt Puffer (bis 72 kg) ab Donnerstag und Amer Hrustanovic (bis 87 kg) ab Freitag im Einsatz. Die SN sprachen mit dem zweifachen Olympiateilnehmer Amer Hrustanovic. SN: Budapest ist Ihre wievielte Weltmeisterschaft? Hrustanovic (lacht): Mah, das müsste meine siebte sein. SN: Und die Bilanz? Ich bin oft knapp an den Top 10 gewesen. In Budapest will ich endlich in die Top 10 kommen. SN: Wie stehen die Chancen? Kennen Sie die infrage kommenden Gegner? Die Europäer kennen sich. Jeder hat gegen jeden schon gekämpft. Wir haben auch Trainingsgemeinschaften. Also der Großteil des Umfelds ist bekannt. Überraschen können Leute aus Kuba oder der eine oder andere Asiate. Neu ist, dass Länder Ringer ein- kaufen dürfen. Das geht ziemlich einfach. Italien ringt mit drei Kubanern und einem Georgier. SN: Das bedeutet, Sie könnten auch, sagen wir von Deutschland, eingekauft werden, obwohl Sie schon lange für Österreich ringen? Ja, könnte ich, aber sie haben selbst genug gute Leute. Außerdem bin ich dafür, das eigene Potenzial auszuschöpfen. Man braucht niemanden einzukaufen. SN: Gibt es im Ringen bestimmte Strömungen, etwa neue Griffe? Ich bin jetzt zehn Jahre in der allgemeinen Klasse und denke nicht, dass es einen Griff oder eine Abwehr gibt, die ich nicht kenne. Aber es dreht sich immer mehr um das Körperliche, um die Schnelligkeit, um die Beweglichkeit. Die Taktik ist immer mehr das volle Draufbolzen. SN: Sind Sie jetzt mit 30 Jahren im besten Ringer-Alter oder drängt schon die Jugend? Das ist verschieden. Zum Beispiel der Schwede in meiner Klasse ist 23 oder 24 Jahre alt und schon ein Topmann. Wenn ich an 2011 zurückdenke, ist ein Türke mit 33 Jahren Weltmeister geworden. Viel hängt davon ab, welche Verletzungen man erlitten hat. SN: Wie sieht es mit Ihrer Fitness aus? Eine Zeit lang war es nicht so gut, aber derzeit ist alles im grünen Bereich. Bei mir gab es schon mit den Knien und mit dem Rücken Probleme. Aber ich muss sagen, im Großen und Ganzen bin ich von Schwerem verschont geblieben. Einmal Meniskus-OP links und rechts, sonst nichts. SN: Sie sind bis zum Jahr 2020 Heeres-Sportler, da gehen sich noch dritte Olympische Spiele aus. Das wäre mein Ziel. Allerdings ist noch nicht klar, wie die Qualifikation für Tokio abläuft. Es soll nur noch 16 und nicht mehr 20 Leute pro Gewichtsklasse geben. SN: Gibt es schon Pläne für die Zeit nach 2020? Ja, ich möchte die Aufnahme in den Polizeidienst schaffen. Da könnte ich aktiver Ringer bleiben und in einen geregelten Berufsalltag hineinwachsen. Klappt es mit der Polizei, ist es durchaus möglich, noch auf vierte Olympische Spiele hinzuarbeiten. SN: Machen Sie noch Ausflüge in die Vollkontaktszene zu den Mixed Martial Arts? Nein. Eine Zeit lang hat es mich allerdings sehr gereizt, das Kämpfen im Käfig. Der Gegner kommt mit allem her, was er hat, mit den Knien, mit den Ellenbogen. Die Verletzungsgefahr ist groß. Aber ich habe mich entschieden und bleibe beim Ringen. Als Sport gefällt mir Boxen sehr gut. Ich bin ein großer Muhammad-Ali-Fan. Mir taugt die Bewegung beim Boxen, die Abwehr der Angriffe, das Kontern. Aber mit 30 muss ich nicht mehr anfangen.