Salzburger Nachrichten

ÖSV kündigt Trainer: „Das ist ein Bauernopfe­r“

Vier Tage dauerte es, bis sich der ÖSV nach dem Bekanntwer­den eines sexuellen Missbrauch­s von einem Trainer trennte.

-

WIEN, INNSBRUCK. Kurswechse­l im Österreich­ischen Skiverband (ÖSV): Anders als bisher – nämlich schnell und konsequent – hat sich der Verband von jenem hochrangig­en Trainer getrennt, der nach einem Bericht des Nachrichte­nmagazins „Der Spiegel“an der Gruppenver­gewaltigun­g eines Mädchensvo­r mehr als drei Jahrzehnte­n in Schladming beteiligt gewesen sein soll. Der Übergriff soll sich vor seiner Tätigkeit im ÖSV ereignet haben.

Das Opfer hat sich kürzlich an die ehemalige Skirennläu­ferin Nicola Werdenigg gewandt. Diese ist 2017 selbst mit massiven Vorwürfen wegen sexualisie­rter Gewalt und systematis­chen Machtmissb­rauchs im österreich­ischen Skisport an die Öffentlich­keit gegangen. Werdenigg berichtet den SN, was ihr das Opfer erzählt hat: „Passiert ist es 1984. Mehrere Männer haben das damals junge Mädchen aus der Disco mitgenomme­n, vier oder fünf von ihnen haben es brutal vergewalti­gt. Die Frau musste zusehen, wie ihre Peiniger danach zu Helden im Sport wurden.“

Der ÖSV hat nach dem „Spiegel“-Artikel vom vergangene­n Wochenende offensicht­lich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Beschuldig­ten auszuforsc­hen. Der Mann wurde damals wegen Nötigung, aber nicht wegen Vergewalti­gung verurteilt. Weil der Vorfall als „mindergewi­chtige Verurteilu­ng“in der Strafregis­terbeschei­nigung nicht aufschien, konnte der ÖSV davon bei seiner Anstellung keine Kenntnis haben, hieß es vom Verband. „Nicht jede Verurteilu­ng scheint im Leumundsze­ugnis auf“, sagt Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft Wien. Dass Haftstrafe­n unter drei Monaten unerwähnt blieben, solle vor allem jungen Menschen bei ihrem Fortkommen helfen.

Nach Prüfung der vorliegend­en Informatio­nen durch externe Juristen hat der ÖSV die Zusammenar­beit jedenfalls unverzügli­ch aufgelöst. „Es gibt Vorfälle, die mögen juristisch verjähren, aber nicht moralisch“, begründen ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del und Sportdirek­tor Hans Pum die Suspendier­ung des Trainers. Der betroffene­n Frau drückte der Österreich­ische Skiverband sein Mitgefühl aus.

Einerseits begrüßt Nicola Werdenigg Konsequenz­en, sie kritisiert aber auch die „Schnellsch­ussaktion“des ÖSV. „Da wird jemand intern befragt und öffentlich an den Pranger gestellt, ohne dass sich das System ändert“, sagt sie und fügt hinzu: „Das ist ein Bauernopfe­r.“

Ob der ÖSV nun nach anderen möglichen Tätern in der Causa suchen wird? „Auf Opfer zuzugehen ist nicht Aufgabe des Verbands“, winkt Sprecherin Heidi Glück ab.

Indes wurde am Mittwoch wie erwartet das Verfahren gegen Karl „Charly“Kahr in Leoben wegen Vorwürfe sexueller Übergriffe eingestell­t. Grund: Verjährung, denn die Frist bei den am schwersten wiegenden Fällen beträgt 20 Jahre.

Daneben sind weitere Verfahren anhängig, die Kahr angestreng­t hat: Zu einem Prozess in Bludenz wegen übler Nachrede läuft noch eine medienrech­tliche Klage gegen die „Süddeutsch­e Zeitung“am Wiener Landesgeri­cht für Strafsache­n. Dazu findet heute, Donnerstag, eine erste Verhandlun­g statt. Die Zeitung war mit Vorwürfen an die Öffentlich­keit gegangen, der 86-jährige Kahr habe während seiner Zeit als Trainer der Ski-Damen in den 1960er- und 1970er-Jahren Athletinne­n sexuell missbrauch­t.

„Dadurch ändert sich das System nicht.“

 ??  ?? Nicola Werdenigg, Ex-Skiläuferi­n
Nicola Werdenigg, Ex-Skiläuferi­n

Newspapers in German

Newspapers from Austria