Salzburger Nachrichten

In Berlin läuten die Alarmglock­en

Das Wahlergebn­is in Hessen kann nur eines bedeuten: Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel muss ihren Rückzug in die Wege leiten.

- Helmut Uwer

Die starken Verluste für CDU und SPD in Hessen zeigen in aller Klarheit, dass Berlin die Wahl stark mitbestimm­t hat. Denn in Wiesbaden machten sowohl die mit den Grünen regierende CDU als auch die opposition­elle SPD eine durchaus gute Figur. Der Umgang ist respektvol­l, große Probleme standen in Hessen nicht zur Lösung an. So sind keine Gründe in Sicht, warum beide Parteien derart hart abgestraft werden sollten – außer man blickt bis Berlin.

Und genau dort dürfte es nun auch zu Konsequenz­en kommen, wenn vielleicht auch nicht sofort. Das gilt im Übrigen auch für die CSU, die ihr Debakel schon zwei Wochen zuvor in Bayern erlebt hat. Die Galgenfris­t für den erratische­n Horst Seehofer als Parteichef ist abgelaufen. Die Personalde­batte in der CSU war ja nur vertagt worden, bis nach der HessenWahl. Auch im Amt des Bundesinne­nministers wird sich Seehofer nicht mehr lange halten können. Ohne Rückhalt in der CSU wird es Angela Merkel ein Leichtes sein, ihn bei der nächsten Gelegenhei­t vor die Tür zu setzen. Er gilt vielen auch in der CSU als hauptveran­twortlich für das Debakel in Bayern. Sollte Seehofer sogar freiwillig verzichten, könnte das wieder Ruhe in die GroKo bringen und sie stabilisie­ren.

Das wäre auch ein Rettungsan­ker für SPD-Chefin Nahles, die in ihrer erst kurzen Amtszeit schon stark an Rückhalt bei den Genossen verloren hat. Allerdings kann die SPD kein Interesse daran haben, die Koalition jetzt platzen zu lassen und Neuwahlen zu riskieren. Das käme politische­m Selbstmord gleich.

Zwar ist die CDU weitaus weniger selbstmörd­erisch veranlagt als die SPD. Doch Angela Merkel wird erkennen müssen, dass ihre Ära unabwendba­r zu Ende geht. Wenn sie ihren Rückzug selbst bestimmen will, bleibt ihr mit jedem Tag weniger Zeit. Mit einer glatten Wiederwahl zur CDU-Chefin beim Parteitag im Dezember in Hamburg kann sie nicht mehr rechnen, auch wenn sich Herausford­erer bisher zurückhalt­en. Das kann sich schnell ändern. NordrheinW­estfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet, Gesundheit­sminister Jens Spahn und Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r gelten als logische Kandidaten.

Die Grünen setzen ihren Siegeszug fort. An ihrer Regierungs­beteiligun­g in Hessen führt kein Weg vorbei, zumal eine Große Koalition angesichts des Berliner Vorbildes die höchstmögl­iche Abschrecku­ngswirkung hat. Die einstmalig­en Öko-Oberlehrer punkten mittlerwei­le mit bürgerlich­er moderner Politik – auch dieser Trend hat sich am Sonntag bestätigt. AUSSEN@SN.AT

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