Mit Lichtbomben lässt sich die Frömmigkeit rühren
Der Kremser Schmidt hat mit gefinkelten Effekten erst die Blicke eingefangen und dann Botschaften vermittelt.
WIEN. Hatte da jemand eine Lichtbombe in die Höhle des frommen Mannes geworfen, bevor der Maler zum Pinsel griff? Die Helligkeit des Betenden, des Buches und des an den Tod gemahnenden Schädels wirkt irreal. Doch damit hat Martin Johann Schmidt, besser bekannt als „Kremser Schmidt“, einen so heftigen Kontrast zum umgebenden Dunkel erzeugt, dass er die Blicke der Betrachter bannt. Die lassen sich von vagen Konturen im Dunkeln zum Hinschauen verführen, um sich dann der detailreichen Darstellung von katholischen Glaubensbotschaften hinzugeben.
Wörter wie „Lichtbombe“und „pointierte Regie“verwendet der Kunsthistoriker Georg Lechner, wenn er über diese Bilder spricht. Er hat damit im Oberen Belvedere in Wien ein Geburtstagsfest gestaltet: Der vor 300 Jahren geborene Barockmaler wird hier seit Ende der Vorwoche gewürdigt.
Es ist wie eine Staffelübergabe in einem Reigen von Stadt, Land, Diözese und Bund: Während „Weltberühmt in Krems“– gestaltet von der Landesgalerie Niederösterreich – im Kremser Stadtmuseum gestern, Sonntag, geendet hat und die Kremser-Schmidt-Schau im St. Pöltner Diözesanmuseum am Mittwoch ihre Finissage hat, gewährt nun das Belvedere einen vielfältigen und zugleich kompakten Überblick über das Werk aus rund 1300 Bildern.
Man muss sich über diesen Niederösterreicher wundern. In 82 Lebensjahren hat er Krems selten verlassen, aber an Kompositionen und Hell-Dunkel-Kontrasten zeigt sich seine Begeisterung für Rembrandt. Auch seine Genre-Szenen sind von niederländischen Gemälden derart heftig inspiriert, dass er Hüte und Röcke eleganter Herren gleich mitimportiert hat. Aber woher kannte das ein Kremser im 18. Jahrhundert? Martin Johann Schmidt habe Gemälde, Druckgrafiken und Bücher gesammelt, berichtet Georg Lechner. Seine Eigeninitiative ging so weit, dass er mangels eines Kremser Kupferstechers selbst diese Drucktechnik erlernte. Zudem wird er die Kunstsammlungen umliegender Klöster und in Wien die kaiserliche Sammlung besichtigt haben.
Mit seinen frommen Bildern hat er die damalige Staatsreligion befeuert. Doch „er war kein Günstling der Habsburger“, versichert Georg Lechner. Weder zu Lebzeiten noch aus dem Nachlass erwarb das Kaiserhaus ein Gemälde. Erst 1875 begann die nun im Belvedere beheimatete Staatsgalerie mit Ankäufen.
Dies behinderte weder seine Produktivität noch die Popularität. Da, wie Georg Lechner hervorhebt, diese auf Hauptfiguren reduzierte Gemälde ohne künstliches Licht gut zur Geltung kamen, beauftragten ihn Klöster und Kirchen weit über Niederösterreich hinaus – bis St. Peter in Salzburg, Bayern und Ungarn. Da er die Frömmigkeit ebenso zu bedienen wusste wie die Mode für mythologische und häusliche Motive, gingen aus seiner Werkstatt so viele Bilder in Privatbesitz, dass noch immer kein abschließendes Werkverzeichnis vorliegt. Ausstellung: