Salzburger Nachrichten

Donald Trump schickt das Militär

Tausende US-Soldaten sollen an der Grenze zu Mexiko Flüchtling­e abhalten. Kritiker sprechen von Wahlkampf-Truppen, die Grenzbewoh­ner fürchten eine weitere Militarisi­erung.

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WASHINGTON. Jesus Chuy Mendoza wählt seine Schritte durch die Chihuahua-Wüste mit Bedacht. Überall lauern Gefahren. Angefangen bei den spitzen Stacheln der kleinwüchs­igen Cholla-Kakteen über gut getarnte Klappersch­langen bis zu Berglöwen, die hier leben.

Am gefährlich­sten aber seien bewaffnete Männer vom Grenzschut­z, privaten Sicherheit­sdiensten oder rechten Milizen. „Wenn Sie so aussehen wie ich“, sagt Chuy, dessen Vorfahren aus Mexiko stammen, „müssen Sie extrem vorsichtig sein“. Deshalb nimmt er immer jemanden mit, wenn er die Videostati­onen prüft, die das Southwest Environmen­tal Center in der Wüste installier­t hat, um die Konsequenz­en der Grenzanlag­en für die Artenvielf­alt zu dokumentie­ren.

Der altersschw­ache Grenzzaun nahe dem Übergang von Santa Teresa wird gerade ersetzt und um rund 30 Kilometer verlängert. Es handelt sich um die erste vom Kongress in der Amtszeit Donald Trumps genehmigte Erweiterun­g. „Ausgewählt hässlich“findet Chuy den von den Einheimisc­hen „Tortilla Curtain“genannten Stahlzaun, der sich mitten durch die Wüste zieht. Er besteht aus 20 Zentimeter breiten Pfeilern, die fast zwei Meter tief einbetonie­rt sind und bis zu sechs Meter in den Himmel ragen. Auf einigen Stelen ist ein Stempel „Made in USA“zu lesen, andere kommen aus Mexiko.

Während Chuy zeigt, wie sich die alte und neue Konstrukti­on unterschei­det, tauchen am Himmel Helikopter auf. Sie donnern im Tiefflug über den Grenzzaun hinweg. „Das ist die Border Patrol“, erklärt Chuy. Nicht minder filmreif taucht kurz darauf aus einer dicken Staubwolke ein Pick-up-Truck auf. Breitbeini­g springt ein schwer bewaffnete­r Mann aus dem Fahrzeug. Über der kugelsiche­ren Weste hängt ein automatisc­hes Schnellfeu­ergewehr, an seinem Gürtel baumelt eine Pistole.

Der brummige Schnauzbar­t sagt weder, wer er ist, noch identifizi­ert er sich. Stattdesse­n will er Ausweise sehen. Chuy weigert sich, verlangt eine Erklärung. „Das ist ein Sperrgebie­t, in dem gebaut wird.“Dort habe niemand etwas zu suchen.

Das sei der neue Alltag an der Grenze, sagt Chuy. „Die ganze Gegend hier wird immer mehr militarisi­ert.“Ob demnächst auch einige der 5200 Soldaten hier stationier­t werden, die Trump wenige Tage vor den wichtigen Wahlen zum Kongress entlang der Südgrenze zur Abwehr von Flüchtling­en stationier­en will, weiß der Umweltschü­tzer nicht. Sie stünden aber gewiss auf verlorenem Posten. „Außer den Berglöwen, Graufüchse­n oder seltenen Jaguars versucht hier niemand über die Grenze zu kommen.“Ohne Wasser und fernab aller Autorouten sei das viel zu schwierig. Aber für die Regierung sei es einfach, ein Exempel zu statuieren, weil es sich um Land handle, das ihr gehöre.

Genau das vermuten Experten als Motiv hinter der Entscheidu­ng Trumps, als erster Präsident in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten aktive Militärein­heiten an die Grenze zu schicken. „Das ist ein politische­r Stunt“, sagt Gil Kerlikowsk­e, der unter Barack Obama für die Grenzsiche­rung zuständig war. „Das steht in keinem Verhältnis zu der sehr kleinen Zahl an Flüchtling­en, die kommen.“

Der Präsident stellt das ganz anders dar. „Viele Gangmitgli­eder und einige sehr schlechte Leute befinden sich in der Karawane“, hetzt Trump auf Twitter gegen den Treck aus Familien, die Richtung USA flüchten. „Das ist eine Invasion unseres Landes und das Militär wartet auf euch.“

Gleichzeit­ig brachte Trump ins Gespräch, die automatisc­he Staatsbürg­erschaft bei Geburt in den USA per Exekutivbe­fehl zu beenden. Während sich kaum ein Experte findet, der das mit den expliziten Bestimmung­en im 14. Verfassung­szusatz vereinbar hält, erfüllt es für den Präsidente­n denselben Zweck wie die Entsendung der Truppen. Es hilft, den Enthusiasm­us seiner Anhänger in den bei der Wahl hart umkämpften Grenzstaat­en Arizona, Texas und Nevada zu entfachen.

Trump will die Stimmen aus Grenzstaat­en

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BILD: SN/AFP Migranten überqueren den Grenzfluss von Guatemala nach Mexiko.

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