Salzburger Nachrichten

Der Mann, der die neue deutsche Rechte erfand

Bernd Lucke, Gründervat­er der „Alternativ­e für Deutschlan­d“(AfD), kämpft einsam im Europäisch­en Parlament gegen den Euro.

- Monika Graf MONIKA.GRAF@SN.AT FRÜHSTÜCK IN BRÜSSEL

Wer Bilder von den forschen Auftritten mancher AfD-Politiker im Deutschen Bundestag im Kopf hat oder von rechtsextr­emen Demonstrat­ionen in Chemnitz, kann sich kaum vorstellen, dass dieser blasse, schmale Mann den Grundstein für die erste klar rechtsnati­onale Partei Deutschlan­ds gelegt hat.

Bernd Lucke wirkt in seinem Brüsseler Büro im EU-Parlament, in das er vor vier Jahren noch für die AfD gewählt wurde, vielmehr wie der Professor für Makroökono­mie an der Uni Hamburg, der er vor seiner Politikkar­riere war. „Ich bin sehr traurig darüber, was aus der AfD geworden ist“, sagt der Parteigrün­der. 2015 hat er die AfD verlassen und die „Liberal-Konservati­ven Reformer“gegründet. Kanzlerin Angela Merkel habe mit ihrer Flüchtling­spolitik zu einer schwer kontrollie­rbaren Emotionali­sierung beigetrage­n. Was in Chemnitz an rechter Gewalt sichtbar geworden sei, sei „schockiere­nd“, dass die AfD dort mit Rechtsextr­emen unter den Demonstran­ten „Tuchfühlun­g hatte“, ohne sich davon zu distanzier­en, sei „skandalös und besorgnise­rregend“. „Das sind nicht die Geister, die ich gerufen habe“, sagt der jugendhaft­e 56-Jährige. Der frühere CDU-Anhänger Lucke hatte ursprüngli­ch andere Ökonomen gegen die Eurorettun­gspolitik zu mobilisier­en versucht. Weil er damit nicht genug Gehör fand, gründete er die AfD – damals als wirtschaft­sliberale, EU-freundlich­e, aber eurokritis­che Partei.

An der zentralen Idee hält er bis heute fest: Länder, die nicht ausreichen­d wettbewerb­sfähig sind, sollen aus dem Euro austreten können, denn „der Euro spaltet die EU“.

Bisher hat sein Kampf wenig gefruchtet. Ist er nun ein „müder Krieger“, wie die deutsche „Wirtschaft­sWoche“im Frühling konstatier­t hat? „Alles andere“, kontert der gebürtige Berliner. „Mein politische­s Engagement in dieser Frage hat überhaupt nicht nachgelass­en.“Es gebe lediglich weniger Berichters­tattung über ihn, weil die Medien der Propaganda aufgesesse­n seien, dass die Eurokrise überwunden sei. Doch: „Die Eurokrise ruht nur wie der Vesuv.“Im EU-Parlament arbeitet Lucke viel und ernsthaft. Meist komme er nicht vor 23 Uhr aus dem Büro, sagt er. Aber gute Gesetze zu machen sei eben viel Arbeit. Am Anfang waren seine Frau und zwei seiner fünf Kinder mit in Brüssel. Mittlerwei­le studieren alle zu Hause und seine Frau arbeitet auch wieder in Deutschlan­d.

Im EU-Parlament habe er „sehr wohl Verbündete“, die ihm in Sachen Euro recht geben. Aber viele dürften das nicht offen sagen, und mit jenen aus dem rechten Spektrum, die den Euro ähnlich wie er sehen, wolle er „nicht so gern zu tun haben“. Sein bisher größter Mitstreite­r Hans-Olaf Henkel, langjährig­er Chef des deutschen Industriev­erbandes BDI, ist ihm kürzlich ebenfalls abhandenge­kommen, weil der den sofortigen Austritt Deutschlan­ds aus dem Euro ins Programm der „Liberal-Konservati­ven Reformer“schreiben wollte. „Das halte ich für falsch“, sagt Lucke. Und: „Bestimmte Werte sind für mich von so hoher Bedeutung, dass ich nicht bereit bin, Positionen mitzutrage­n, die diesen widersprec­hen.“Das hat er schon öfter bewiesen.

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BILD: SN/MG AfD-Gründer Bernd Lucke.
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