Der Mann, der die neue deutsche Rechte erfand
Bernd Lucke, Gründervater der „Alternative für Deutschland“(AfD), kämpft einsam im Europäischen Parlament gegen den Euro.
Wer Bilder von den forschen Auftritten mancher AfD-Politiker im Deutschen Bundestag im Kopf hat oder von rechtsextremen Demonstrationen in Chemnitz, kann sich kaum vorstellen, dass dieser blasse, schmale Mann den Grundstein für die erste klar rechtsnationale Partei Deutschlands gelegt hat.
Bernd Lucke wirkt in seinem Brüsseler Büro im EU-Parlament, in das er vor vier Jahren noch für die AfD gewählt wurde, vielmehr wie der Professor für Makroökonomie an der Uni Hamburg, der er vor seiner Politikkarriere war. „Ich bin sehr traurig darüber, was aus der AfD geworden ist“, sagt der Parteigründer. 2015 hat er die AfD verlassen und die „Liberal-Konservativen Reformer“gegründet. Kanzlerin Angela Merkel habe mit ihrer Flüchtlingspolitik zu einer schwer kontrollierbaren Emotionalisierung beigetragen. Was in Chemnitz an rechter Gewalt sichtbar geworden sei, sei „schockierend“, dass die AfD dort mit Rechtsextremen unter den Demonstranten „Tuchfühlung hatte“, ohne sich davon zu distanzieren, sei „skandalös und besorgniserregend“. „Das sind nicht die Geister, die ich gerufen habe“, sagt der jugendhafte 56-Jährige. Der frühere CDU-Anhänger Lucke hatte ursprünglich andere Ökonomen gegen die Eurorettungspolitik zu mobilisieren versucht. Weil er damit nicht genug Gehör fand, gründete er die AfD – damals als wirtschaftsliberale, EU-freundliche, aber eurokritische Partei.
An der zentralen Idee hält er bis heute fest: Länder, die nicht ausreichend wettbewerbsfähig sind, sollen aus dem Euro austreten können, denn „der Euro spaltet die EU“.
Bisher hat sein Kampf wenig gefruchtet. Ist er nun ein „müder Krieger“, wie die deutsche „WirtschaftsWoche“im Frühling konstatiert hat? „Alles andere“, kontert der gebürtige Berliner. „Mein politisches Engagement in dieser Frage hat überhaupt nicht nachgelassen.“Es gebe lediglich weniger Berichterstattung über ihn, weil die Medien der Propaganda aufgesessen seien, dass die Eurokrise überwunden sei. Doch: „Die Eurokrise ruht nur wie der Vesuv.“Im EU-Parlament arbeitet Lucke viel und ernsthaft. Meist komme er nicht vor 23 Uhr aus dem Büro, sagt er. Aber gute Gesetze zu machen sei eben viel Arbeit. Am Anfang waren seine Frau und zwei seiner fünf Kinder mit in Brüssel. Mittlerweile studieren alle zu Hause und seine Frau arbeitet auch wieder in Deutschland.
Im EU-Parlament habe er „sehr wohl Verbündete“, die ihm in Sachen Euro recht geben. Aber viele dürften das nicht offen sagen, und mit jenen aus dem rechten Spektrum, die den Euro ähnlich wie er sehen, wolle er „nicht so gern zu tun haben“. Sein bisher größter Mitstreiter Hans-Olaf Henkel, langjähriger Chef des deutschen Industrieverbandes BDI, ist ihm kürzlich ebenfalls abhandengekommen, weil der den sofortigen Austritt Deutschlands aus dem Euro ins Programm der „Liberal-Konservativen Reformer“schreiben wollte. „Das halte ich für falsch“, sagt Lucke. Und: „Bestimmte Werte sind für mich von so hoher Bedeutung, dass ich nicht bereit bin, Positionen mitzutragen, die diesen widersprechen.“Das hat er schon öfter bewiesen.