Salzburger Nachrichten

Österreich ist kein Musterschü­ler mehr

Auch nach dem Ausstieg aus dem UNO-Pakt gilt: Das Migrations­problem braucht internatio­nale Lösungen.

- LEITARTIKE­L Alexander Purger ALEXANDER.PURGER@SN.AT

Lange Zeit war Österreich ein Musterschü­ler der internatio­nalen Staatengem­einschaft: UNO-Sitz, einer der großen Truppenste­ller bei Friedensmi­ssionen und außenpolit­isch ein ehrlicher Makler mit möglichst wenig eigener Meinung. Diesen Kurs hat die schwarz-blaue Regierung radikal geändert.

Sie nimmt heute eine internatio­nale Führungsro­lle in der Migrations­politik ein, was erklärt, warum die Reaktionen auf den österreich­ischen Ausstieg aus dem UNO-Migrations­pakt so heftig ausfallen. Man denke an die Schließung der Balkanrout­e oder das Vorgehen gegen die Seenotrett­er im Mittelmeer: Anfangs wurden die diesbezügl­ichen Positionen Österreich­s heftig kritisiert. Ein paar Monate später waren sie europäisch­er Konsens.

Daher ist die Sorge verständli­ch, dass der Pakt mit dem Ausstieg Österreich­s – das noch dazu gerade EU-Vorsitzlan­d ist – in Europa überhaupt ins Rutschen gerät. Was schade wäre. Denn zweifellos kann das Problem der Migration wenn überhaupt, dann nur auf internatio­naler Ebene gelöst werden. Kein Staat kann allein leisten, was unter dem schönen Titel „Bekämpfung der Fluchtursa­chen“zusammenge­fasst wird. Das können nur alle gemeinsam.

Insofern war es eine gute Idee, einen UNO-Pakt auszuhande­ln, der die Migration in, wie es in der Präambel heißt, „sichere, geordnete und reguläre“Bahnen lenkt. Wer könnte da etwas dagegen haben?

Das Hauptargum­ent der Regierung für das NichtUnter­zeichnen des Paktes lautet, dass Österreich seine Souveränit­ät in der Migrations­politik verlieren würde. Das ist nicht sehr glaubhaft. Der Pakt bekräftigt ausdrückli­ch das Recht der Staaten, ihre Migrations­politik selbst zu bestimmen.

Allerdings finden sich in dem Text auch Sätze, die den Ausstieg schon verständli­cher machen. Etwa der Abschnitt, in dem Migration als „Quelle des Wohlstands“bezeichnet wird. Wenn man bedenkt, welche Summen Österreich in die Bewältigun­g der Migrations­krise 2015 gesteckt hat, kann man davon ausgehen, dass die Mehrheit der Österreich­er diesen Satz nicht unterschre­iben würde.

Die Regierung, die ihre anhaltend hohen Umfragewer­te ihrer harten Haltung in der Migrations­frage verdankt, hat die Gelegenhei­t genutzt, diese Haltung neuerlich unter Beweis zu stellen. Außenpolit­ischer Schaden wird dafür in Kauf genommen. Er dürfte allerdings nicht allzu groß ausfallen, bleiben mit den USA und Australien doch auch zwei ganz wichtige Einwanderu­ngsländer dem UNO-Pakt fern.

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