Österreich ist kein Musterschüler mehr
Auch nach dem Ausstieg aus dem UNO-Pakt gilt: Das Migrationsproblem braucht internationale Lösungen.
Lange Zeit war Österreich ein Musterschüler der internationalen Staatengemeinschaft: UNO-Sitz, einer der großen Truppensteller bei Friedensmissionen und außenpolitisch ein ehrlicher Makler mit möglichst wenig eigener Meinung. Diesen Kurs hat die schwarz-blaue Regierung radikal geändert.
Sie nimmt heute eine internationale Führungsrolle in der Migrationspolitik ein, was erklärt, warum die Reaktionen auf den österreichischen Ausstieg aus dem UNO-Migrationspakt so heftig ausfallen. Man denke an die Schließung der Balkanroute oder das Vorgehen gegen die Seenotretter im Mittelmeer: Anfangs wurden die diesbezüglichen Positionen Österreichs heftig kritisiert. Ein paar Monate später waren sie europäischer Konsens.
Daher ist die Sorge verständlich, dass der Pakt mit dem Ausstieg Österreichs – das noch dazu gerade EU-Vorsitzland ist – in Europa überhaupt ins Rutschen gerät. Was schade wäre. Denn zweifellos kann das Problem der Migration wenn überhaupt, dann nur auf internationaler Ebene gelöst werden. Kein Staat kann allein leisten, was unter dem schönen Titel „Bekämpfung der Fluchtursachen“zusammengefasst wird. Das können nur alle gemeinsam.
Insofern war es eine gute Idee, einen UNO-Pakt auszuhandeln, der die Migration in, wie es in der Präambel heißt, „sichere, geordnete und reguläre“Bahnen lenkt. Wer könnte da etwas dagegen haben?
Das Hauptargument der Regierung für das NichtUnterzeichnen des Paktes lautet, dass Österreich seine Souveränität in der Migrationspolitik verlieren würde. Das ist nicht sehr glaubhaft. Der Pakt bekräftigt ausdrücklich das Recht der Staaten, ihre Migrationspolitik selbst zu bestimmen.
Allerdings finden sich in dem Text auch Sätze, die den Ausstieg schon verständlicher machen. Etwa der Abschnitt, in dem Migration als „Quelle des Wohlstands“bezeichnet wird. Wenn man bedenkt, welche Summen Österreich in die Bewältigung der Migrationskrise 2015 gesteckt hat, kann man davon ausgehen, dass die Mehrheit der Österreicher diesen Satz nicht unterschreiben würde.
Die Regierung, die ihre anhaltend hohen Umfragewerte ihrer harten Haltung in der Migrationsfrage verdankt, hat die Gelegenheit genutzt, diese Haltung neuerlich unter Beweis zu stellen. Außenpolitischer Schaden wird dafür in Kauf genommen. Er dürfte allerdings nicht allzu groß ausfallen, bleiben mit den USA und Australien doch auch zwei ganz wichtige Einwanderungsländer dem UNO-Pakt fern.