Salzburger Nachrichten

Das wahre Drama der Sozialdemo­kratie

Nicht nur Arbeiter im Allgemeine­n rennen davon, sondern auch Gewerkscha­ftsmitglie­der im Besonderen.

- DIE SUBSTANZ Johannes Huber

Der Niedergang der alten Volks- bzw. Großpartei­en zieht sich. Dabei ist ihnen spätestens seit dem 24. April 2016 bekannt, dass es nach unten hin keine Grenze gibt; ihre Spitzenkan­didaten Andreas Khol (ÖVP) und Rudolf Hundstorfe­r (SPÖ) mussten sich damals im ersten Wahlgang für das Amt des Bundespräs­identen mit jeweils elf Prozent begnügen. Zumindest die Bundes-ÖVP hat in der Folge die größtmögli­chen Konsequenz­en gezogen: Sie hat sich ganz Sebastian Kurz übergeben und von diesem sogar auf Türkis umfärben lassen, auf dass das Schwarz verschwind­en möge.

Nicht, dass das ein Beispiel für die SPÖ sein müsste. Sie jedoch hat noch keine Antwort gefunden. In ihrer Substanz wird sie schwächer und schwächer. Stammwähle­r brechen weg. Und damit sind jetzt nicht nur die Arbeiter im Allgemeine­n gemeint, sondern die Gewerkscha­ftsmitglie­der im Besonderen. Zu Recht hat sich die Sozialdemo­kratie über Jahrzehnte hinweg als wichtigste Partei der Arbeitnehm­erbewegung verstanden. Noch 1990 haben laut einer Befragung des GfK-Instituts 62 Prozent der Gewerkscha­fter rot gewählt. Bei der Nationalra­tswahl 2017 waren es nur noch 44 Prozent. Zwar noch eine relative Mehrheit, aber ÖVP und FPÖ kamen zusammen auf 46 Prozent.

Dieses Wahlergebn­is stand „im Schatten der Flüchtling­skrise“, wie der Politologe Fritz Plasser in einem eigenen Buch dazu analysiert. Schwarz-blaue Politik steht nach wie vor in diesem Kontext, wie die Ablehnung des UNOMigrati­onspaktes zeigt. Umso alarmieren­der ist es für die designiert­e SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, dass es selbst gegenüber Gewerkscha­fterkreise­n schwer für sie sein dürfte, Opposition dagegen zu betreiben.

Das ist ein internatio­naler Trend. Noch viel schlimmer ist die Lage für die Sozialdemo­kraten in Deutschlan­d: Bei der Landtagswa­hl in Bayern stürzte die SPD ab; laut einer Erhebung der Forschungs­gruppe Wahlen kam sie bei Gewerkscha­ftsmitglie­dern nur noch auf 14 Prozent. Das bedeutete Platz vier – hinter der CSU, der extrem rechten AfD und den eher linken Grünen – und unterstrei­cht, wie sehr es die Partei im wahrsten Sinne des Wortes zerreißt.

In Österreich hat es die SPÖ 2017 immerhin geschafft, Verluste nach rechts durch Zugewinne von links auszugleic­hen. Die Grünen-Krise war ihr Glück, in Städten bzw. bei Akademiker­n und Selbststän­digen konnte sie zulegen. Allerdings sind die sehr wechselfre­udig. Kommen die Grünen wieder auf die Beine oder bildet sich eine neue links angesiedel­te Gruppierun­g, sind diese Wähler schnell wieder weg. Zumal sie für maßgeblich­e Teile der Sozialdemo­kratie, angeführt von Wienern um Michael Ludwig und Burgenländ­ern um Hans Niessl und Hans Peter Doskozil, nicht Priorität haben. WWW.DIESUBSTAN­Z.AT

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