Kleinbauern spüren den Klimawandel
Der Staat in Peru fördert in erster Linie landwirtschaftliche Großbetriebe, die Agrargüter für den Export produzieren.
Die Folgen des Klimawandels beklagt auch Marcos Gomez Villanueva, der Vorsitzende der lokalen Bauernvereinigung. Schon seit eineinhalb Jahrzehnten falle viel weniger Regen als früher, sagt der 60-Jährige. Nur noch eineinhalb Monate im Jahr gibt es überhaupt Niederschläge. Das erschwert jenen, die auf trockenen Böden etwas anbauen wollen, die Arbeit enorm. Die Jungen wandern unter diesen Umständen aus den Berggebieten ab. Wenn aber die Felder nicht mehr bestellt werden, beschleunigt sich die Bodenerosion.
Wir sind zu Besuch im Dorf Carnachique. Es zählt 150 Einwohner und liegt auf einer Höhe von mehr als 2800 Metern. Von ganz unten, der Stadt Trujillo an der Pazifikküste Perus, sind wir hochgefahren in die Anden. Innerhalb von zwei oder drei Autostunden haben wir zwei ganz verschiedene Formen von Landwirtschaft gesehen. An der Küste sind große Maschinen auf riesigen Plantagen im Einsatz; man produziert Agrargüter für den Export. Droben, in den Anden, suchen die Menschen mit einer kleinteiligen, familiären Landwirtschaft ein Auskommen.
Der Staat tut fast alles für die landwirtschaftlichen Großbetriebe an der Küste. Er finanziert zum Beispiel Bewässerungsprojekte für sie. Aber der Staat tut nichts für die Kleinbauern in den entlegenen Berggebieten. Von den Behörden vergessen fühlten sich diese Menschen – und isoliert. Bis die entwicklungspolitische Organisation „Minka“die Initiative ergriff. Sie baute kleine und größere Wasserreservoire für die Bauern in den Bergen. Damit haben die Kleinbauern die Möglichkeit, auch während der Trockenzeit etwas anzubauen. Über Rohre wird das Wasser auf die Felder geleitet. Alle zwei Wochen gibt es für drei bis acht Stunden Wasser. So wird das Wasser auf die Parzellen verteilt. Man setzt auf Tropf- und Sprinklersysteme, um eine möglichst sparsame Wasserverwendung zu erreichen.
Die Kleinbauern haben jetzt mehr Ernten – und damit mehr Einkommen.
„Minka“fördert zudem eine Biolandwirtschaft in den Bergen. Die Bauern sollen ohne Chemie auskommen, stattdessen natürlichen Dünger verwenden. Verschiedene Anbaukulturen ersetzen die andernorts üblichen Monokulturen. Die Bauern sollen traditionelles Saatgut neu entdecken, das sich leichter an die lokalen Gegebenheiten anpasst. Altes Wissen der Andenregion wird aktiviert, damit heutzutage eine produktive Landwirtschaft möglich ist.
„Wir sind an diesem Ort verwurzelt“, versichert der Führer der Bauernvereinigung. „Wir fühlen uns im Einklang mit der Natur.“
Drunten, an der Küste, gehen wir auf den Biomarkt. „Minka“wirbt in Trujillo für landwirtschaftliche Erzeugnisse „mit null Prozent Agrogiften“. Dieses Obst und dieses Gemüse würden mit sauberem Wasser, ohne Chemikalien hergestellt, heißt es. In mehr als zwei Dutzend Stadtbezirken hat die „Bioferia“schon stattgefunden. Die jeweilige Stadtverwaltung macht dabei mit. Auch Schulen, Kindergärten und Restaurants beteiligen sich an diesem Versuch, in der Bevölkerung ein stärkeres Interesse an Bioprodukten, also an zu wecken.
„Minka“garantiert den Kleinbauern Fixpreise für die Bioprodukte. Man kauft direkt bei den Herstellern und verkauft die Agrarerzeugnisse weiter. Normalerweise sind die Kleinbauern in Peru extrem abhängig von Zwischenhändlern. Sie kaufen den Bauern oftmals die ganze Ernte zu einem niedrigen Preis ab und verkaufen sie mit saftigem Gewinn weiter. In diesem Fall aber bleibt den Bauern selbst wenig.
„Minka“ist ein Wort aus der Quechua-Sprache, die in der Andenregion noch heute von vielen Nachkommen der Ureinwohner in Peru (Indigenas) gesprochen wird. Es bedeutet „Zusammenarbeit“. So erläutert „Minka“-Gründer Francisco San Martin den Grundgedanken seiner Organisation: Nicht auf sich gesunder Ernährung, allein gestellt, sondern vielmehr in gemeinsamen Netzwerken sollten die Menschen versuchen, der Armut zu entkommen und damit zu einer selbstbestimmten Entwicklung zu gelangen.
Seit den 1990er-Jahren hat „Minka“rund 100 Projekte in ganz Peru in Gang gebracht. Tausende, ja Zehntausende Menschen haben mittlerweile von ihnen profitiert. Aber San Martin begnügt sich nicht damit, das Konzept von „Minka“in einer Vielzahl kleiner Projekte in die Praxis umzusetzen. Er geht einen Schritt weiter und versucht jetzt, „dieses Denken in die Institutionen zu bringen“. In diversen Ministerien sitzen inzwischen Leute, die zuerst in „Minka“-Projekten gearbeitet haben und nun in ihrem neuen, offiziellen Tätigkeitsbereich den „Minka“-Ansatz vertreten.
Das Bewusstsein in den Behörden soll damit verändert werden; Beamte sollen überhaupt erst das Know-how dafür bekommen, sinnvolle Entwicklungsstrategien zu verfolgen. Andernfalls bleibt es bei dem blamablen Befund, dass beispielsweise die Verwaltung der Region von Trujillo nahezu die Hälfte des Budgets für ein Bewässerungsprojekt eines Agro-Riesen ausgibt, aber nichts übrig hat für die Kleinbauern in den Anden.
Gegen den „agro-industriellen Komplex“stehen die Biobauern bisher auf verlorenem Posten. Weniger als fünf Prozent beträgt der Anteil des Biolandbaus an der gesamten landwirtschaftlichen Produktion; und 95 Prozent dieser biologisch hergestellten Güter gehen in den Export. Peru ist in dieser Hinsicht Schlusslicht in der südamerikanischen Region. Es liegt weit hinter Chile (30 Prozent) und Kolumbien (20 Prozent). Bioprodukte findet der interessierte Kunde bisher nur in einigen Bioläden und in einem Supermarkt („Frutta selecta“) in Trujillo. Allzu optimistisch klingt es deshalb, wenn Biobauern im Norden Perus auf einen bevorstehenden „Bio-Boom“hoffen.
Hinzu komme, dass an den Universitäten bis heute in erster Linie Agrobusiness und konventionelle Landwirtschaft unterrichtet würden, erläutert „Minka“-Geschäftsführer William Siapo. „Pharmaunternehmen wie Monsanto-Bayer, die Umweltgifte produzieren, finanzieren diese Universitäten.“Im Kampf gegen die dadurch propagierten Einstellungen setzt „Minka“auf lokale Politiker, die selbst eine gesunde Ernährung anstreben. Biolandbau ist in der armen Andenregion offenbar eher voranzubringen als an der Küste.
Zwei Drittel der Bevölkerung Perus sind noch immer in der Landwirtschaft tätig. Von ihnen sind 90 Prozent Klein- und Kleinstbauern, die über das ganze Land verstreut sind. Sie ernähren Peru, während die vom Staat geförderten Großbetriebe ihre Erzeugnisse exportieren. Aber zehn Prozent der Großen haben in Peru mehr Land als 90 Prozent der Kleinen. Die „Minka“-Projekte in Peru werden unterstützt von „Sei so frei“, der entwicklungspolitischen Aktion der Katholischen Männerbewegung in Salzburg. „Minka“-Gründer Francisco San Martin erhält am 16. November in Oberndorf bei Salzburg den Oscar-Romero-Preis 2018.
„Wir müssen dringend das Denken in den Behörden verändern.“