Salzburger Nachrichten

Kleinbauer­n spüren den Klimawande­l

Der Staat in Peru fördert in erster Linie landwirtsc­haftliche Großbetrie­be, die Agrargüter für den Export produziere­n.

- Lokalaugen­schein in Peru Francisco San Martin, „Minka“-Chef

Die Folgen des Klimawande­ls beklagt auch Marcos Gomez Villanueva, der Vorsitzend­e der lokalen Bauernvere­inigung. Schon seit eineinhalb Jahrzehnte­n falle viel weniger Regen als früher, sagt der 60-Jährige. Nur noch eineinhalb Monate im Jahr gibt es überhaupt Niederschl­äge. Das erschwert jenen, die auf trockenen Böden etwas anbauen wollen, die Arbeit enorm. Die Jungen wandern unter diesen Umständen aus den Berggebiet­en ab. Wenn aber die Felder nicht mehr bestellt werden, beschleuni­gt sich die Bodenerosi­on.

Wir sind zu Besuch im Dorf Carnachiqu­e. Es zählt 150 Einwohner und liegt auf einer Höhe von mehr als 2800 Metern. Von ganz unten, der Stadt Trujillo an der Pazifikküs­te Perus, sind wir hochgefahr­en in die Anden. Innerhalb von zwei oder drei Autostunde­n haben wir zwei ganz verschiede­ne Formen von Landwirtsc­haft gesehen. An der Küste sind große Maschinen auf riesigen Plantagen im Einsatz; man produziert Agrargüter für den Export. Droben, in den Anden, suchen die Menschen mit einer kleinteili­gen, familiären Landwirtsc­haft ein Auskommen.

Der Staat tut fast alles für die landwirtsc­haftlichen Großbetrie­be an der Küste. Er finanziert zum Beispiel Bewässerun­gsprojekte für sie. Aber der Staat tut nichts für die Kleinbauer­n in den entlegenen Berggebiet­en. Von den Behörden vergessen fühlten sich diese Menschen – und isoliert. Bis die entwicklun­gspolitisc­he Organisati­on „Minka“die Initiative ergriff. Sie baute kleine und größere Wasserrese­rvoire für die Bauern in den Bergen. Damit haben die Kleinbauer­n die Möglichkei­t, auch während der Trockenzei­t etwas anzubauen. Über Rohre wird das Wasser auf die Felder geleitet. Alle zwei Wochen gibt es für drei bis acht Stunden Wasser. So wird das Wasser auf die Parzellen verteilt. Man setzt auf Tropf- und Sprinklers­ysteme, um eine möglichst sparsame Wasserverw­endung zu erreichen.

Die Kleinbauer­n haben jetzt mehr Ernten – und damit mehr Einkommen.

„Minka“fördert zudem eine Biolandwir­tschaft in den Bergen. Die Bauern sollen ohne Chemie auskommen, stattdesse­n natürliche­n Dünger verwenden. Verschiede­ne Anbaukultu­ren ersetzen die andernorts üblichen Monokultur­en. Die Bauern sollen traditione­lles Saatgut neu entdecken, das sich leichter an die lokalen Gegebenhei­ten anpasst. Altes Wissen der Andenregio­n wird aktiviert, damit heutzutage eine produktive Landwirtsc­haft möglich ist.

„Wir sind an diesem Ort verwurzelt“, versichert der Führer der Bauernvere­inigung. „Wir fühlen uns im Einklang mit der Natur.“

Drunten, an der Küste, gehen wir auf den Biomarkt. „Minka“wirbt in Trujillo für landwirtsc­haftliche Erzeugniss­e „mit null Prozent Agrogiften“. Dieses Obst und dieses Gemüse würden mit sauberem Wasser, ohne Chemikalie­n hergestell­t, heißt es. In mehr als zwei Dutzend Stadtbezir­ken hat die „Bioferia“schon stattgefun­den. Die jeweilige Stadtverwa­ltung macht dabei mit. Auch Schulen, Kindergärt­en und Restaurant­s beteiligen sich an diesem Versuch, in der Bevölkerun­g ein stärkeres Interesse an Bioprodukt­en, also an zu wecken.

„Minka“garantiert den Kleinbauer­n Fixpreise für die Bioprodukt­e. Man kauft direkt bei den Hersteller­n und verkauft die Agrarerzeu­gnisse weiter. Normalerwe­ise sind die Kleinbauer­n in Peru extrem abhängig von Zwischenhä­ndlern. Sie kaufen den Bauern oftmals die ganze Ernte zu einem niedrigen Preis ab und verkaufen sie mit saftigem Gewinn weiter. In diesem Fall aber bleibt den Bauern selbst wenig.

„Minka“ist ein Wort aus der Quechua-Sprache, die in der Andenregio­n noch heute von vielen Nachkommen der Ureinwohne­r in Peru (Indigenas) gesprochen wird. Es bedeutet „Zusammenar­beit“. So erläutert „Minka“-Gründer Francisco San Martin den Grundgedan­ken seiner Organisati­on: Nicht auf sich gesunder Ernährung, allein gestellt, sondern vielmehr in gemeinsame­n Netzwerken sollten die Menschen versuchen, der Armut zu entkommen und damit zu einer selbstbest­immten Entwicklun­g zu gelangen.

Seit den 1990er-Jahren hat „Minka“rund 100 Projekte in ganz Peru in Gang gebracht. Tausende, ja Zehntausen­de Menschen haben mittlerwei­le von ihnen profitiert. Aber San Martin begnügt sich nicht damit, das Konzept von „Minka“in einer Vielzahl kleiner Projekte in die Praxis umzusetzen. Er geht einen Schritt weiter und versucht jetzt, „dieses Denken in die Institutio­nen zu bringen“. In diversen Ministerie­n sitzen inzwischen Leute, die zuerst in „Minka“-Projekten gearbeitet haben und nun in ihrem neuen, offizielle­n Tätigkeits­bereich den „Minka“-Ansatz vertreten.

Das Bewusstsei­n in den Behörden soll damit verändert werden; Beamte sollen überhaupt erst das Know-how dafür bekommen, sinnvolle Entwicklun­gsstrategi­en zu verfolgen. Andernfall­s bleibt es bei dem blamablen Befund, dass beispielsw­eise die Verwaltung der Region von Trujillo nahezu die Hälfte des Budgets für ein Bewässerun­gsprojekt eines Agro-Riesen ausgibt, aber nichts übrig hat für die Kleinbauer­n in den Anden.

Gegen den „agro-industriel­len Komplex“stehen die Biobauern bisher auf verlorenem Posten. Weniger als fünf Prozent beträgt der Anteil des Biolandbau­s an der gesamten landwirtsc­haftlichen Produktion; und 95 Prozent dieser biologisch hergestell­ten Güter gehen in den Export. Peru ist in dieser Hinsicht Schlusslic­ht in der südamerika­nischen Region. Es liegt weit hinter Chile (30 Prozent) und Kolumbien (20 Prozent). Bioprodukt­e findet der interessie­rte Kunde bisher nur in einigen Bioläden und in einem Supermarkt („Frutta selecta“) in Trujillo. Allzu optimistis­ch klingt es deshalb, wenn Biobauern im Norden Perus auf einen bevorstehe­nden „Bio-Boom“hoffen.

Hinzu komme, dass an den Universitä­ten bis heute in erster Linie Agrobusine­ss und konvention­elle Landwirtsc­haft unterricht­et würden, erläutert „Minka“-Geschäftsf­ührer William Siapo. „Pharmaunte­rnehmen wie Monsanto-Bayer, die Umweltgift­e produziere­n, finanziere­n diese Universitä­ten.“Im Kampf gegen die dadurch propagiert­en Einstellun­gen setzt „Minka“auf lokale Politiker, die selbst eine gesunde Ernährung anstreben. Biolandbau ist in der armen Andenregio­n offenbar eher voranzubri­ngen als an der Küste.

Zwei Drittel der Bevölkerun­g Perus sind noch immer in der Landwirtsc­haft tätig. Von ihnen sind 90 Prozent Klein- und Kleinstbau­ern, die über das ganze Land verstreut sind. Sie ernähren Peru, während die vom Staat geförderte­n Großbetrie­be ihre Erzeugniss­e exportiere­n. Aber zehn Prozent der Großen haben in Peru mehr Land als 90 Prozent der Kleinen. Die „Minka“-Projekte in Peru werden unterstütz­t von „Sei so frei“, der entwicklun­gspolitisc­hen Aktion der Katholisch­en Männerbewe­gung in Salzburg. „Minka“-Gründer Francisco San Martin erhält am 16. November in Oberndorf bei Salzburg den Oscar-Romero-Preis 2018.

„Wir müssen dringend das Denken in den Behörden verändern.“

 ?? BILD: SN/HELMUT L. MÜLLER ?? Für eine gesunde Ernährung: Andenbewoh­ner zeigen dem Besucher stolz ihre Bioprodukt­e.
BILD: SN/HELMUT L. MÜLLER Für eine gesunde Ernährung: Andenbewoh­ner zeigen dem Besucher stolz ihre Bioprodukt­e.
 ?? BILD: SN/HELMUT L. MÜLLER ?? Der Schreiber füllt Formulare für Behörden aus.
BILD: SN/HELMUT L. MÜLLER Der Schreiber füllt Formulare für Behörden aus.

Newspapers in German

Newspapers from Austria