Kunst ist ein Accessoire der Mächtigen
Nach der Causa Drozda: Die heimische Polit-Elite umgibt sich mit zeitgenössischer Kunst. Nur Vizekanzler Strache schert aus.
Fotohintergrund: In der Diskussion rund um das Bild „Im Raum drinnen II“von Kurt Kocherscheidt, das der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda vom Kanzleramt in die rote Parteizentrale mitgenommen hatte, fiel mehrfach dieser Begriff. Ein Wort, das offenbart, wie Kunst für eigene Zwecke instrumentalisiert werden kann. Der ausgeliehene „Fotohintergrund“– Drozda hatte sich bei Interviews mehrfach vor dem großformatigen Gemälde ablichten lassen – wurde mittlerweile an den Besitzer, das Belvedere, retourniert.
Die Causa, die auf einen leichtfertigen Umgang mit Kunst aus Bundesbesitz verweist, dokumentiert auch das Repräsentationsbedürfnis von Politikern, zu dem mittlerweile das Sich-Umgeben mit zeitgenössischer Kunst gehört. Während sich Der Bürgermeister der Stadt Salzburg, Harald Preuner (ÖVP), hat in seinem Büro ein Gemälde prominent platziert, das er aus dem Vizebürgermeisterbüro heuer ins Bürgermeisterbüro mitgenommen hat. Es ist von der Linzer Künstlerin Manuela Schwenkreich. „Er hat das Bild 2004 in Auftrag gegeben und selbst bezahlt“, versichert sein Bürochef Bernd Huber. Volksvertreter weiland in gediegenem Mobiliar und mit ebensolchen Ölgemälden haben abbilden lassen (was sie bei Staatsakten hierzulande übrigens auch heute noch tun), posieren sie im eigenen Büro meist vor moderner Kunst.
Diese sei, erläutert der deutsche Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich in seinem Buch „Mit dem Rücken zur Kunst“, zu einem „neuen Statussymbol der Macht“geworden. „Politiker, die sich mit moderner oder zeitgenössischer Kunst umgeben, dürfen damit rechnen, dass positive Eigenschaften, die üblicherweise mit dieser assoziiert werden, auch ihnen zugesprochen werden“, betont Ullrich auf SN-Anfrage. Und: Das eigene Image werde so um Adjektive wie „energievoll“, „kompromisslos“, „fortschrittlich“oder „authentisch“bereichert. Zudem dürften Politiker Ullrich zufolge erwarten, dass man sie für hochkulturell gebildet halte. Der Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) hat beim Übersiedeln ins Büro des stellvertretenden Landeshauptmannes auf Kunst geachtet: Das Punschkrapferl der Künstlervereinigung Bildkombinat Bellevue hat er ebenso mitgenommen wie – im Hintergrund – Manfred Grübls Fotografie „Mona Lisa“. Diese wandert aber bald ins Depot, da sie nach zwei Jahren im Dunkeln rasten muss.
In Österreich hatten sich in der Vergangenheit einige ÖVP-Politiker, unter ihnen auch Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, mit abstrakten Gemälden des Tiroler Malers Max Weiler gezeigt: ein Bekenntnis zur Moderne, aber auch ein Beleg für eine gewisse Bodenständigkeit. Sozialdemokratische Politiker hingegen posierten gern vor Schüttbildern des Aktionisten Hermann Nitsch. Die Botschaft (neben der Parallele zwischen der Parteifarbe und den dynamischen Farblandschaften): Der Politiker akzeptiert und versteht die als kompromisslos geltende Kunst jenes Mannes, der für Teile des Bürgertums immer noch ein Reibebaum ist. Der Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) empfängt die Gäste in seinem Büro im Chiemseehof unter dem Gemälde „Atlantis“des Salzburger Künstlers Herbert Stejskal (1940–2012). Dieses sowie die weiteren Bilder seines Büros, alle Leihgaben aus dem Besitz des Landes Salzburg, habe Wilfried Haslauer selbst ausgewählt, erläutert sein Bürochef Thomas Kerschbaum.
Womit umgibt sich die aktuelle politische Machtelite in Österreich? Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nützt bei Fototerminen – etwa mit Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán – vornehmlich die umgedrehte Europa-Karte des deutschen Künstlers Olaf Osten. Auf dem Bild „Pendel 064“hat der Künstler Ansichten des Wiener Museumsquartiers über die Landkarte gezeichnet. Kurz, so wird aus seinem Büro versichert, habe das Bild, das er von seinem Schreibtisch aus ständig im Blickfeld habe, privat erworben.
Auf die Frage, welchen „Fotohintergrund“Vizekanzler HeinzChristian Strache (FPÖ) in seinem Büro bevorzuge, kommt eine klare Antwort: Die österreichische Flagge sei „der angemessenste und schönste Hintergrund“für die Fotowünsche. Geht es um Kunst, so präsentiert sich Strache mit Bildern aus den Beständen des Heeresgeschichtlichen Museums. Diese zeigten „Szenen und Persönlichkeiten aus der österreichischen Geschichte“und seien auf drei Jahre plus Option ausgeliehen. Zwei Beispiele: „Erzherzog Carl und sein Stab in der Schlacht bei Aspern am 22. Mai 1809“von Johann Peter Krafft und „Angehöriger der Nationalgarde 1848“des deutsch-österreichischen Militärmalers Bachmann-Hohmann. Mit dieser Auswahl erinnere der „Patriot“Strache an die heimische Historie, heißt es aus dem Vizekanzler-Büro.
Während Strache also darauf verzichtet, sich mit Werken von Zeitgenossen zu umgeben, stößt man im Büro von Kunstminister Gernot Blümel (ÖVP) auf „drei starke weibliche Positionen“der Gegenwartskunst: zwei Arbeiten von Martha Jungwirth und eine Lichtinstallation von Brigitte Kowanz – Leihgaben der Albertina bzw. des Museums Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. Ein „Weiblicher Rückenakt“von Koloman Moser (Leihgabe der Leopold-Museum-Privatstiftung) vervollständigt das Kunstangebot im Ministerbüro.
Der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig residiert bis November interimistisch im Roten Salon des Rathauses, wo traditionell Porträts von Amtsvorgängern hängen. Welche Kunstwerke im neuen Büro an die Wand kämen, sei noch nicht geklärt, sagt ein Sprecher
„In der Allianz zwischen Machtelite und Kunst wird diese zum Statussymbol.“
Ludwigs. In der Vergangenheit seien keine künstlerischen Arbeiten als „Fotohintergrund“verwendet worden: „Dafür hat stets ein Bücherregal gedient.“
Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) wiederum vertraut seit einigen Jahren einem großformatigen Bild („Die Brandung“) von Wolfgang Hollegha. Es handelt sich um eine Leihgabe des Künstlers, die Partei zahlt die Versicherungssumme. Die abstrakte Farblandschaft verdrängte eine Erzberg-Darstellung von Herbert Boeckl. Kunst war und ist ein Accessoire der (politischen) Macht. „Wer sich vor sie stellt, braucht sich auf keine Aussagen festzulegen, sondern profitiert davon, dass Kunst Kreativität, Vitalität oder Aufbruch an sich verheißt“, sagt Wolfgang Ullrich.